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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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stellte fest, dass sie ein paar Schritt entfernt stand und ebenfalls die Stadt anstarrte.
    »Udinaas, wo hast du uns hingebracht? Wer sind diese Wilden?«
    »Vis vol’raele absi’arad.«
    Er blickte den Krieger an, der gesprochen hatte, zuckte dann die Schultern und richtete den Blick wieder auf die in einiger Entfernung gelegene Stadt. »Ich würde gerne hingehen und sie mir ansehen.«
    »Sie werden es nicht zulassen.«
    Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Udinaas setzte sich in Richtung der Ebene in Bewegung.
    Die Krieger schauten einfach nur zu.
    Nach einem kurzen Augenblick folgte ihm Federhexe und kam an seine Seite. »Es sieht aus, als wäre sie einfach hier … zurückgelassen worden. Wie fallen gelassen.«
    »Es ist eine Stadt der Meckros«, sagte er. »Das Holz in den Fundamenten ist von der Art, die sich niemals mit Wasser voll saugt. Niemals fault. Und schau, da drüben« – er deutete in die Richtung, die er meinte –, »das sind die Überreste von Werften. Landungsbrücken. Und das, was da drüben an den Tauen hängt, ist eine Reling. Ich habe noch nie eine Stadt der Meckros gesehen, aber ich habe genug Beschreibungen gehört, und das da ist eine. Sie ist aus dem Meer gefischt worden. Das Eis da ist mit ihr gekommen.«
    »Da sind ziemlich frische Erdhügel«, sagte sie. »Kannst du sie sehen?«
    Raue, dunkle Erhebungen wuchsen aus der Ebene um die Ruinen; jeder Grabhügel war von Felsblöcken umgeben. »Die Wilden haben die toten Meckros begraben«, sagte er.
    »Das sind Hunderte …«
    »Und jeder ist groß genug, um Hunderte von Leichen aufzunehmen.«
    »Sie hatten Angst vor Seuchen«, sagte sie.
    »Oder sie sind ein mitleidiges Volk, auch wenn sie vielleicht nicht so aussehen.«
    »Sei kein Narr, Schuldner. Das Ganze muss Monate gedauert haben.«
    Er zögerte kurz, ehe er ihr antwortete. »Das da hinten war nur ein Clan, Federhexe. In dieser Gegend leben insgesamt fast viertausend von ihnen.«
    Sie blieb stehen, packte ihn am Arm und riss ihn herum. »Erklär mir das!«, zischte sie.
    Er riss sich los und ging weiter. »Diese Geister verfügen über starke Erinnerungen. An ihr Leben, an ihre Körper. Die Erinnerungen sind so stark, dass sie sich als echte, körperliche Kreaturen manifestieren können. Sie werden T’lan Imass genannt –«
    Ihr stockte der Atem. »Die Feste des Tiers.«
    Er blickte sie an. »Was?«
    »Die Knochenstange. Ältester, Scharteke, Seher, Schamane, Jäger und Fährtensucher. Die Feuerdiebe. Die der Eres’al das Feuer gestohlen haben.«
    »Die Eres’al. Die Göttin der Nerek. Die falsche Göttin, zumindest haben das unsere Gelehrten und Magier behauptet, um die Unterwerfung der Nerek zu rechtfertigen. Ich bin erschüttert über diese Lüge. Wie auch immer, sind die Bilder auf den Fliesen nicht die von Tieren? Bei der Feste des Tiers, meine ich.«
    »Nur in den ärmeren Versionen. Die Haut von Tieren, um dunkle, untersetzte Wilde drapiert. Das wirst du auf den ältesten, reinsten Fliesen sehen. Tu nicht so, als ob du nichts wüsstest, Udinaas. Schließlich hast du uns hierher gebracht.«
    Sie näherten sich jetzt den vordersten Hügelgräbern und konnten, als sie den aufgeworfenen Erdhügel musterten, unzählige Dinge sehen. Zerbrochene Töpferwaren, Schmuck, eiserne Waffen, Gold, Silber, kleine hölzerne Idole, Kleiderfetzen. Die Habseligkeiten der Leute, die unter dem Hügel begraben lagen.
    Federhexe gab ein Geräusch von sich, das möglicherweise ein Lachen gewesen war. »Sie haben den Schatz an der Oberfläche gelassen, anstatt ihn mit den Leichen zu begraben. Was für ein merkwürdiges Verhalten.«
    »Vielleicht, damit irgendwelche Plünderer gar nicht erst auf die Idee kommen zu graben und so die Ruhe der Toten zu stören.«
    »Oh ja, hier gibt es tatsächlich unzählige Plünderer.«
    »Ich kenne diese Sphäre nicht gut genug, um dir zuzustimmen oder widersprechen zu können«, meinte Udinaas schulterzuckend.
    Sie warf ihm einen besorgten Blick zu.
    Die zerstörte Stadt ragte jetzt näher vor ihnen auf. Verkrustete Entenmuscheln klebten am Fuß mächtiger aufrecht stehender hölzerner Säulen. Dazwischen schwarze, verwitterte Tangstreifen. Obendrüber kreuzförmige Gestelle und Plattformen, die Straßen und Gebäude trugen. Und in den gewaltigen Klötzen aus grauem, porösem Eis verwesende, zerfetzte Körper – nichtmenschliche Körper. Übergroße Gliedmaßen, von matten Schuppen bedeckt. Ein langer Reptilienkopf, der von einem verdrehten,

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