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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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anderes genommen, hat nichts anderes gebraucht. Das Wyrm-Blut hat sie angezogen – es muss das Wyrm-Blut gewesen sein. Sonst nichts. Er ist nicht mein Sohn. Nur mein Samen.
    Zu schnell gewachsen. War das eine Eigenschaft von Drachen?
    Kein Wunder, dass die Frauen der T’lan Imass Angst hatten. Er seufzte. »Fund, ich danke dir«, sagte er. »Und sage auch Ulshun Pral unseren Dank. Wir freuen uns auf ein Festmahl aus Kalbsbraten.« Er blickte Federhexe an. »Kannst du den richtigen Pfad wählen?«
    »Unser Fleisch wird uns zurückziehen«, sagte sie. »Komm, wir haben keine Ahnung, wie viel Zeit inzwischen in unserer Welt verstrichen ist.« Sie nahm ihn an der Hand und führte ihn an der steinernen Figur vorbei. »Traumwelten. Stell dir vor, was wir sehen könnten, wenn wir in der Lage wären zu wählen …«
    »Das sind keine Traumwelten, Federhexe. Sie sind wirklich. An jenen Orten sind wir die Geister.«
    Sie schnaubte, sagte aber nichts.
    Udinaas wandte den Kopf, um einen letzten Blick zurückzuwerfen. Da stand der Junge, Fund, der Abkömmling eines Sklaven und einer Frau mit Drachenblut in den Adern, doch keiner seiner Elternteile hatte ihn aufgezogen. Und an seiner Seite dieser primitive Wilde, der glaubte, er sei noch immer am Leben. Der glaubte, er wäre aus Fleisch und Blut, ein Jäger und Anführer mit Hunger, Wünschen, einer Zukunft, in die er voranschreiten würde. Udinaas konnte sich nicht entscheiden, welche der beiden Gestalten mitleiderregender war. Wenn er sie so dastehen sah wie jetzt, brachen sie ihm beide das Herz, und es schien keine Möglichkeit zu geben, zwischen ihnen zu unterscheiden. Als ob der Kummer unterschiedliche Geschmacksrichtungen hätte.
    Er drehte sich um. »In Ordnung, bring uns zurück.«
    Ihre Hand schloss sich fester um die seine, und sie zog ihn vorwärts. Er schaute zu, wie sie in die Mauer aus gleißendem Licht hineinschritt. Und folgte ihr.
     
    Atri-Preda Yan Tovis – oder Zwielicht, wie sie von den unter ihrem Befehl stehenden Soldaten genannt wurde, in deren Adern noch Reste des Blutes der lange verschwundenen einheimischen Fischer von Fenthing floss und die daher wussten, was der Name bedeutete – stand auf der mächtigen Mauer, die den Nordturm umgab, und blickte hinaus auf das Wasser der Nepah-See. Hinter ihr am Fuß des Wachtturms begann eine breite, erhöhte Straße, die kerzengerade zunächst sechs Meilen durch einen alten Wald, dann eine Meile durch Farmland nach Süden führte und an der Kreuzung direkt vor dem zum Landesinnern hin gelegenen Tor der befestigten Stadt namens Fenthing endete.
    Es war die Straße, die sie gleich nehmen würde. In aller Eile.
    Neben ihr stand der örtliche Finadd, ein gertenschlanker, gehetzt wirkender Mann, dessen Haut beinahe blutleer wirkte, und der sich jetzt zum dritten Mal binnen der letzten zehn, zwölf Herzschläge räusperte.
    »In Ordnung, Finadd«, sagte Zwielicht.
    Der Mann seufzte, ein Geräusch, das von unverhohlener Erleichterung kündete. »Ich werde die Trupps zusammenrufen, Atri-Preda.«
    »Gleich. Ihr müsst aber immer noch eine Entscheidung treffen.«
    »Atri-Preda?«
    »Was schätzt Ihr, wie viele Edur-Schiffe sehen wir hier vor uns?«
    Der Finadd starrte mit halb zugekniffenen Augen gen Norden. »Acht- oder neunhundert von ihren Kaperschiffen, würde ich schätzen. Merude, Den-Ratha, Beneda. Diese übergroßen Transportschiffe – die habe ich noch nie zuvor gesehen. Fünfhundert?«
    »Diese Transportschiffe sind unseren eigenen nachempfunden«, sagte Zwielicht. »Und unsere fassen jeweils fünfhundert Soldaten; und jedes fünfte ist dann ein Versorgungsschiff. Ich nehme an, dass wird bei den Edur genauso sein. Vierhundert Transportschiffe voller Edur-Krieger. Das sind zweihunderttausend. An Bord der Kaperschiffe sind achtzig bis hundert Mann. Sagen wir hundert. Das sind dann neunzigtausend. Die Streitmacht, die in Kürze auf dem Strand da unten landen wird, ist demgemäß fast dreihunderttausend Mann stark.«
    »Ja, Atri-Preda.«
    »Heute Morgen sind fünftausend Edur beim Fort der Ersten Jungfrau gelandet. Die Stammtruppe hat sämtliche Pferde gesattelt, die sie hatte, und jetzt reiten sie so schnell es geht nach Fenthing. Wo sich meine Garnison befindet.«
    »Wir können davon ausgehen«, sagte der Finadd, »dass das da draußen die Hauptmacht der Edur-Flotte ist, ja, tatsächlich, die Hauptmacht dieses ganzen Volkes bei dieser selbstmörderischen Invasion.«
    Sie warf ihm einen Blick zu. »Nein, von so

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