SdG 10 - Die Feuer der Rebellion
Reißzähne selbst dann noch zu sehen waren, wenn Bent die grausamen Kiefer geschlossen hielt, denn der größte Teil der Haut, die sie einst bedeckt hatte, war auf jenem Hügel namens Untergang weggerissen und nicht ersetzt worden. Ein Ohr fehlte, das andere war oberflächlich geheilt und stand zur Seite weg.
Der Stummel, der noch von Bents Schwanz übrig war, wedelte nicht, als Keneb vom Pferd stieg. Hätte er es getan, wäre Keneb womöglich zu Tode erschrocken, wie er sich eingestehen musste.
Der räudige, eher an eine Ratte erinnernde hengesische Hund namens Rotauge trottete herbei und schnüffelte an Kenebs Stiefel, ließ sich dann damenhaft nieder und urinierte auf das Leder. Fluchend trat der Malazaner einen Schritt zurück und holte mit einem Fuß aus, um dem Tier einen kräftigen Tritt zu verpassen, führte die Bewegung jedoch nicht zu Ende, da Bent ein tiefes Knurren hören ließ.
Kriegsführer Gall stieß ein raues Lachen aus. »Rotauge erhebt Anspruch auf diesen Steinhaufen, Faust. Und wie der Vermummte weiß, ist da unten niemand, der sich dadurch beleidigt fühlen könnte.«
»Zu dumm, dass man das nicht auch über die anderen Gräber sagen kann«, meinte Keneb, während er seine Reithandschuhe auszog.
»Oh, aber diese Beleidigung gilt eigentlich den Bürgern von Y’Ghatan.«
»Dann hätte Rotauge ein bisschen geduldiger sein müssen, Kriegsführer.«
»Der Vermummte soll uns holen, Mann – sie ist ein verdammter Hund. Aber sagt mal, glaubt Ihr, dass ihr irgendwann in absehbarer Zeit die Pisse ausgeht?«
Wenn ich tun könnte, was ich am liebsten tun würde, würde ihr noch was ganz anderes ausgehen. »Ich gebe zu, dass das nicht sehr wahrscheinlich ist. Diese Ratte hat mehr bösartige Flüssigkeiten in sich als ein tollwütiger Bhederinbulle.«
»Das kommt von dem armseligen Fraß.«
Keneb wandte sich an den anderen Mann. »Faust Temul, die Mandata möchte wissen, ob Eure Kundschafter um die Stadt herumgeritten sind.«
Der junge Krieger war kein Kind mehr. Seit sie von Aren aufgebrochen waren, war er zwei Handbreit gewachsen. Schlank, mit scharf geschnittenen Gesichtszügen und dunklen Augen, in denen sich zu viele Verlusterfahrungen spiegelten. Die Krieger des Krähen-Clans, die sich vor Aren noch seinen Befehlen widersetzt hatten, waren in diesen Tagen still geworden. Den Blick starr auf Y’Ghatan gerichtet, gab er durch nichts zu erkennen, ob er Kenebs Worte gehört hatte.
Mit jedem Tag, der verstreicht, ähnelt er mehr und mehr Coltaine, sagt Gall. Keneb war klug genug zu warten.
Gall räusperte sich. »Auf der Weststraße sind Anzeichen einer Massenflucht zu finden, die nicht mehr als einen oder zwei Tage vor unserer Ankunft stattgefunden haben muss. Ein halbes Dutzend alte Krähenkrieger wollten Erlaubnis bekommen, die Flüchtlinge verfolgen und ausplündern zu dürfen.«
»Und wo sind sie jetzt?«, fragte Keneb.
»Sie bewachen den Tross, hah!«
Temul meldete sich zu Wort. »Teilt der Mandata mit, dass alle Tore geschlossen sind. Am Fuß des Tel ist ein Graben ausgehoben worden, der auch die Rampen, auf denen die Straßen verlaufen, auf allen Seiten durchschneidet, und fast eine Mannshöhe tief ist. Aber dieser Graben ist nur zwei Schritt breit – offensichtlich ist dem Feind die Zeit davongelaufen.«
Den Rebellen war also die Zeit davongelaufen. Das wunderte Keneb. Leoman hätte binnen eines einzigen Tages eine weitaus breitere Barriere ausheben lassen können, wenn er Zwangsarbeiter eingesetzt hätte. »Also gut. Haben unsere Kundschafter irgendwelche schweren Waffen auf den Wällen oder Ecktürmen gesehen?«
»Ballisten malazanischer Bauart, ein volles Dutzend«, erwiderte Temul. »In gleichmäßigen Abständen verteilt. Keinerlei Anzeichen von Truppenkonzentrationen.«
»Nun«, sagte Keneb brummig, »es wäre ja auch dumm, anzunehmen, dass Leoman uns seine Schwachstellen so einfach zeigen würde. Und die Wälle waren bemannt?«
»Ja. Sie haben von Verteidigern gewimmelt, die meine Krieger verhöhnt haben.«
»Und ihnen ihre nackten Hintern gezeigt haben«, fügte Gall hinzu, ehe er sich umdrehte und ausspuckte.
Rotauge kam herbeigetrottet, schnüffelte an dem glänzenden Schleimklumpen und leckte ihn dann auf.
Keneb, dem sowieso schon leicht übel war, sah weg und löste den Kinnriemen seines Helms. »Faust Temul, seid Ihr schon zu einem Urteil gekommen, auf welche Weise wir uns am sichersten der Stadt nähern können?«
Temul blickte ihn mit ausdruckslosem Gesicht
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