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SdG 10 - Die Feuer der Rebellion

SdG 10 - Die Feuer der Rebellion

Titel: SdG 10 - Die Feuer der Rebellion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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mit der sie den Blickwinkel wechseln, sich die Dinge von allen Seiten ansehen konnten. Während Corabb – um bei der Wahrheit zu bleiben – nur eines tun konnte: sich inmitten all der Zwietracht, die die Welt immer wieder vor ihm aufsteigen ließ, an einer einzigen Vision festzuklammern – an seiner eigenen.
    Ohne seinen Anführer, das wusste Corabb nur zu gut, wäre er verloren.
    Eine behandschuhte Hand winkte, und Corabb gab seinem Reittier die Fersen, bis er an Leomans Seite war.
    Der von einer Kapuze geschützte Kopf drehte sich, das hinter einem Tuch verborgene Gesicht wandte sich ihm zu, von Leder umschlossene Finger zupften das Tuch über dem Mund weg, und Worte wurden gerufen, so dass Corabb sie hören konnte: »Wo im Namen des Vermummten sind wir?«
    Corabb starrte ihn an, blinzelte … und seufzte.
     
    Ihre Finger erzeugten das Drama, pflügten eine traumatische Furche quer über den wimmelnden Pfad. Die Ameisen rannten verwirrt wild durcheinander, und Samar Dev schaute zu, wie sie wütend an der Beleidigung herumscharrten, die Soldaten mit erhobenen Köpfen und weit geöffneten Mandibeln, als ob sie die Götter herausfordern wollten. Oder, in diesem Fall, eine Frau, die allmählich verdurstete.
    Sie lag auf der Seite im Schatten des Wagens. Es war kurz nach Mittag, und kein Lüftchen regte sich. Die Hitze hatte ihr jegliche Kraft geraubt. Es war unwahrscheinlich, dass sie ihren Angriff auf die Ameisen fortsetzen konnte, und diese Erkenntnis ließ für einen Augenblick Bedauern in ihr aufsteigen. Zwietracht in ein ansonsten vorhersehbares, abgestumpftes und schäbiges Leben zu bringen, schien eine lohnende Sache zu sein. Nun, vielleicht nicht lohnend, aber gewiss interessant. Wahrhaft göttergleiche Gedanken, die ihren letzten Tag unter den Lebenden kennzeichneten.
    Eine Bewegung erregte ihre Aufmerksamkeit. Der Staub auf der Straße erzitterte, und jetzt konnte sie ein lauter werdendes Donnergrollen hören, das wie irdene Trommeln nachhallte. Der Weg, auf dem sie sich befand, wurde hier in der Ugarat-Odhan nicht häufig benutzt. Er gehörte zu einem Zeitalter, das längst dahinwar; damals waren die Karawanen regelmäßig auf den gut zwanzig Karawanenrouten von einer zur nächsten der mehr als ein Dutzend großen Städte gezogen, von denen das alte Ugarat die Nabe gewesen war, und alle diese Städte – abgesehen von Kayhum am Flussufer und Ugarat selbst – waren seit mehr als tausend Jahren tot.
    Dennoch konnte ein einzelner Reiter ebenso leicht einer zu viel sein wie ihre Rettung, denn sie war eine Frau mit üppigen weiblichen Reizen, und sie war allein. Manchmal, so hieß es, nahmen Banditen und Plünderer diese größtenteils vergessenen Wege, wenn sie sich von einer Karawanenroute zur nächsten bewegten. Und Banditen waren bekanntermaßen kleinlich.
    Das Hufgetrappel näherte sich, wurde immer lauter, dann wurde der Neuankömmling langsamer, und einen Augenblick später wogte eine heiße Staubwolke über Samar Dev hinweg. Das Pferd schnaubte – es klang merkwürdig bösartig –, und dann war ein leiseres dumpfes Geräusch zu hören, als der Reiter von seinem Tier rutschte. Leise Schritte näherten sich.
    Was war das? Ein Kind? Eine Frau?
    Ein Schatten tauchte in ihrem Blickfeld auf, hinter dem, den der Wagen warf, und Samar Dev drehte den Kopf, sah die Gestalt an, die um den Wagen herumkam und auf sie herabblickte.
    Nein, das war weder ein Kind noch ein Frau. Vielleicht, dachte sie, nicht einmal ein Mann. Eine Erscheinung, die einen zerfetzten weißen Pelzumhang um die unmöglich breiten Schultern und ein Schwert aus flockigem Feuerstein, dessen Griff mit Leder umwickelt war, auf dem Rücken trug. Sie blinzelte angestrengt, versuchte, mehr Einzelheiten zu erkennen, aber der helle Himmel hinter dem Neuankömmling machte das unmöglich. Ein Riese von einem Mann, der sich so leise wie eine Wüstenkatze bewegte, eine alptraumhafte Vision, eine Halluzination.
    Und dann sprach er – aber nicht zu ihr, das war offensichtlich. »Du wirst noch ein bisschen auf deine Mahlzeit warten müssen, Havok. Die hier lebt noch.«
    »Havok isst tote Frauen?«, fragte Samar mit rauer Stimme. »Mit wem reitet Ihr?«
    »Nicht mit«, erwiderte der Riese. »Auf.« Er trat näher und hockte sich neben sie. Er hielt etwas in den Händen – einen Wassersack –, doch sie stellte fest, dass sie den Blick nicht von seinem Gesicht abwenden konnte. Gleichmäßige, kantige Gesichtszüge, verzerrt durch eine Tätowierung wie

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