SdG 10 - Die Feuer der Rebellion
einen Blick zu. »Ihr eignet Euch nicht besonders gut als Gott, Cotillion, wusstet Ihr das?«
»Vielen Dank für dein Vertrauen.«
Sie streckte eine Hand aus und strich ihm über das Kinn; die Geste hatte beinahe etwas von einer Liebkosung. Sie bemerkte, wie er hastig Luft holte, wie sich seine Augen leicht weiteten, aber er schaute sie nicht an. Apsalar senkte die Hand. »Es tut mir leid. Noch ein Fehler. Ich scheine in diesen Tagen nur Fehler zu machen.«
»Es ist in Ordnung«, erwiderte er. »Ich verstehe es.«
»Tut Ihr das tatsächlich? Oh, natürlich tut Ihr das.«
»Erfülle deinen Auftrag, und alles wird vorbei sein. Danach werde ich keine weiteren Forderungen mehr an dich haben. Und Schattenthron auch nicht.«
Etwas in seinem Tonfall ließ sie sanft erschauern. Etwas wie … Reue. »Ich verstehe. Das ist gut. Ich bin müde. Dessen, was ich bin, Cotillion.«
»Ich weiß.«
»Ich habe an einen kleinen Umweg gedacht. Bevor ich mich meiner nächsten Aufgabe zuwende.«
»Ach?«
»Zur Küstenstraße, nach Osten. Nur ein paar Tage, wenn ich das Schattengewirr benutze.«
Er blickte sie an, und sein schwaches Lächeln stimmte sie seltsam froh. »Oh, Apsalar … das dürfte ein Spaß werden. Überbringe ihm meine Grüße.«
»Wirklich?«
»Unbedingt. Er muss mal wieder ein bisschen aufgerüttelt werden.« Er erhob sich. »Ich muss gehen. Gleich bricht die Morgendämmerung an. Sei vorsichtig – und traue diesen Geistern nicht.«
»Sie sind schlechte Lügner.«
»Nun, ich kenne einen Hohepriester, der eine ähnliche Taktik benutzt, um andere zu verwirren.«
Iskaral Pustl. Jetzt war Apsalar diejenige, die lächelte, aber sie sagte nichts, denn Cotillion war fort.
Der östliche Horizont stand in Flammen, als die Sonne aufging
»Wo ist die Dunkelheit hin?«, wollte Rinnsel wissen.
Apsalar stand neben dem Bett, überprüfte das Sortiment an Waffen, das sie verborgen am Körper trug. Sie würde bald schlafen müssen – vielleicht schon heute Nachmittag –, aber vorher würde sie das Tageslicht nutzen. Hinter dem Mord an Mebra verbarg sich eine tiefere Bedeutung. Und dass die Tat von einem Semk begangen worden war, hatte Cotillion erschüttert. Obwohl er sie nicht darum gebeten hatte, der Sache nachzugehen, würde sie es zumindest ein, zwei Tage lang tun. »Die Sonne ist aufgegangen, Rinnsel.«
»Die Sonne? Beim Abgrund, in dieser Welt gibt es eine Sonne? Sind sie denn verrückt geworden?«
Apsalar warf dem sich duckenden Geist einen Blick zu. Er löste sich im körnigen Licht auf. Telorast hockte stumm vor Entsetzen zusammengekauert auf einem nahe gelegenen schattigen Fleck und schaute zu. »Wer soll verrückt geworden sein?«, fragte Apsalar Rinnsel.
»Nun, sie! Diejenigen, die diesen Ort erschaffen haben!«
»Wir verblassen!«, zischte Telorast. »Was bedeutet das? Werden wir aufhören zu existieren?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Apsalar. »Vermutlich werdet ihr ein bisschen an Substanz verlieren, vorausgesetzt, ihr habt überhaupt welche, aber das wird nur vorübergehend sein. Am besten, ihr bleibt hier und seid still. Ich werde zurück sein, ehe die Abenddämmerung einsetzt.«
»Die Abenddämmerung! Ja, hervorragend, wir werden hier auf die Abenddämmerung warten. Dann kommt die Nacht, und mit ihr die ganze Dunkelheit, und die Schatten, und Dinge, die man in Besitz nehmen kann. Ja, schreckliche Frau, wir werden hier warten.«
Sie ging nach unten, bezahlte für eine weitere Nacht, und trat dann auf die staubige Straße hinaus. Die Bürger, die einen Stand auf dem Marktplatz hatten, waren bereits unterwegs, Straßenhändler zogen schwer beladene Maultiere hinter sich her oder Karren, auf denen sich Käfige mit Singvögeln, in Scheiben geschnittenes Pökelfleisch oder Krüge mit Öl oder Honig türmten. Alte Männer mühten sich mit zusammengeschnürten Feuerholzbündeln oder Tonkörben ab. In der Mitte der Straße schritten zwei Rote Klingen – nun, da das Imperium seine Anwesenheit wieder nachdrücklich geltend gemacht hatte, erneut gefürchtete Wächter über Gesetz und Ordnung. Sie waren in die gleiche Richtung wie Apsalar unterwegs – und wie die meisten anderen Menschen nämlich zu dem breiten Streifen jenseits der Stadtmauern südlich des Hafens, wo sich die Lagerplätze der Karawanen befanden.
Man gewährte den Roten Klingen viel Platz, und wie sie so stolz dahinschritten und dabei ihre behandschuhten Hände auf den Griffen ihrer Tulwars ruhen ließen, die zwar in Scheiden
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