SdG 11 - Die Kochenjäger
Omtose-Phellack-Gewirr stieg in ihr auf, eine instinktive Antwort auf ihre Panik, als die Kreaturen heranrückten.
Es gab keine Flucht – keine Zeit -
Schwere Hacken schlugen zu, zerfetzten erst Fleisch, dann Knochen. Die Hiebe warfen sie zu Boden, in einem Schwall ihres eigenen Blutes. Sie sah die Kante der Schlucht vor sich, versuchte sie zu ergreifen. Um sich darüber zu ziehen und zu fallen – einen besseren Tod zu finden -
Mächtige, klauenbewehrte, schuppige Füße, mit Streifen aus dickem Fell umwickelt, wirbelten knapp vor ihrem Gesicht Staub auf. Unfähig, sich zu bewegen, spürte sie, wie das Leben aus ihr herausfloss, und sie sah zu, wie der Staub sich als matte Patina auf der Lache aus ihrem Blut ablagerte, es wie eine ganz dünne Haut bedeckte. Zu viel Schmutz, dem Blut würde das nicht gefallen, es würde von all dem Schmutz krank werden.
Sie musste es reinigen. Sie musste es aufsammeln, es irgendwie zurück in ihren Körper schütten, durch die klaffenden Wunden, und hoffen, dass ihr Herz jeden Tropfen sauberbrennen würde.
Aber jetzt ließ sogar ihr Herz sie im Stich, und Blut und Schaum spritzten ihr aus Nase und Mund.
Und plötzlich verstand sie jenes seltsame Gefühl von Ordnung. K’Chain Che’Malle, eine Erinnerung, wieder ins Leben gerufen, nach all dieser Zeit. Dann waren sie also zurückgekehrt. Aber nicht die wirklich chaotischen. Nein, nicht die Langschwänze. Dies hier waren die Anderen, die Diener der Maschinen, von Ordnung in all ihrer Brutalität. Nah’Ruk.
Sie waren zurückgekehrt. Warum?
Die Blutlache sickerte in den weißen, kreidigen, von Krallen zerfurchten Staub, und in die Furchen flossen die Reste des Blutes in trägen Rinnsalen. Die unerbittlichen Gesetze der Erosion, in kleinen Buchstaben geschrieben, und doch … ja, höchst treffend, nehme ich an.
Sie war kalt, und das fühlte sich gut an. Tröstlich. Schließlich war sie eine Jaghut.
Und jetzt gehe ich.
Die Frau stand da und blickte zum Festland hinüber, auf merkwürdige Weise wachsam. Mappo Runt rieb sich das Gesicht, vollkommen erschöpft von Iskaral Pustls manischer Tirade an die Mannschaft der breitbäuchigen Karavelle, die hin und her hastete, als wäre sie bar jeglicher Vernunft: sie turnten durch die Takelage, rannten wild über das Deck und klammerten sich mit wütenden Schreien da und dort an verschiedene, höchst bedenklich wirkende Pricken. Aber irgendwie war das kleine, jedoch absolut seetüchtige Handelsschiff voll vor dem Wind, glitt auf einem sauberen nordöstlichen Kurs dahin.
Eine Mannschaft – eine ganze Mannschaft – aus Bhok’arala. Es hätte unmöglich sein müssen. Es war ganz gewiss absurd. Doch diese Kreaturen hatten sie an Bord ihres zweifellos gestohlenen Schiffs erwartet, das vor der Küste geankert hatte, als Mappo, Iskaral, sein Maultier und die Frau namens Bosheit sich durch die letzten Reste von Unterholz geschoben und die zerklüfteten Felsklippen erreicht hatten.
Und es war nicht einfach nur eine zufällige Zusammenrottung der affenartigen, spitzohrigen Tiere, sondern es handelte sich – wie Iskarals Wutschreie verkündeten – um die eigene Menagerie des Hohepriesters, die ehemaligen Bewohner seiner Klippenfeste viele Meilen östlich von hier, am Rande der fernen Raraku-See. Wie sie hierhergekommen waren, mit dieser Karavelle, war ein Geheimnis, und zwar eines, das sich wahrscheinlich nicht in absehbarer Zeit lösen lassen würde.
Haufen von Früchten und Schalentieren waren auf dem Hauptdeck aufgetürmt gewesen, um die so viel Wind gemacht wurde, als wären es Weihebildchen, als die drei Reisenden das Beiboot – das von einem halben Dutzend Bhok’arala zum Ufer gerudert worden war, um sie in Empfang zu nehmen – längsseits des Schiffes zogen und an Bord kletterten. Um festzustellen – was noch mehr zu Mappos Erheiterung beitrug –, dass Iskaral Pustls schwarzäugiges Maultier ihnen irgendwie vorausgegangen war.
Seither herrschte Chaos.
Wenn Bhok’arala an einen Gott glauben konnten, dann war ihr Gott gerade eben angekommen, in der zweifelhaften Person von Iskaral Pustl, und das endlose Gequäke, Geschnatter und Getanze um den Hohepriester herum trieb Pustl ganz offensichtlich in den Wahnsinn. Oder machte ihn noch wahnsinniger als er es sowieso schon war.
Bosheit hatte einige Zeit erheitert zugesehen, ohne auf Mappos Fragen zu achten – Wieso ist dieses Schiff hier? Wo werden sie uns hinbringen? Sind wir wirklich immer noch Icarium auf der Spur? Keine
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