SdG 11 - Die Kochenjäger
Gespräch erweist sich schließlich als nutzlos und wertlos.
Werdet ihr dennoch an dem Glauben festhalten, meine Freunde, dass eine Veränderung möglich ist? Dass Wille und Vernunft den Willen der Leugnung überwinden können?
Es bleibt nichts mehr zu verstehen. Dieser verrückte Strudel hält uns alle in einem Griff, der nicht gebrochen werden kann; und ihr mit euren Speeren und Kriegsmasken; ihr mit euren Tränen und eurer sanften Berührung; ihr mit dem sardonischen Grinsen, hinter dem Furcht und Selbsthass schreien; selbst ihr, die ihr als stumme Zeugen unserer katastrophalen Vernichtung abseits steht, zu betäubt, um zu handeln – es ist alles eins. Ihr seid alle eins. Wir sind alle eins.
Und daher tretet nun näher, meine Freunde, und seht in diesem bescheidenen Karren vor euch die kostbarsten aller Waren. Das Elixier des Vergessens, die Tinktur des Rasenden Tanzens, und hier, mein Liebling, die Salbe Unendlicher Männlicher Tüchtigkeit, mit deren Hilfe – das garantiere ich – euer Soldat Schlacht um Schlacht aufrecht stehend überstehen wird …
Die Ansprache des Hausierers
Nacherzählt von Vaylan Winder
Malaz, in dem Jahr, in dem die Stadt von Abwasser
überflutet wurde (1123 von Brands Schlaf)
R
innsale aus nach Urin stinkendem Wasser rannen die Stufen hinunter, die zu Schaffs Schenke des Gehängten führten, eine von beinahe zwei Dutzend verrufenen Schenken im Hafenviertel von Malaz, die Banaschar, ein ehemaliger D’rek-Priester, mittlerweile regelmäßig aufsuchte. Was für Einzelheiten auch immer einst seinem Geist geholfen haben mochten, einen dieser Orte vom anderen zu unterscheiden – sie waren seither verblasst, und das Bollwerk seiner Entschlossenheit war durch und durch verfault und von Enttäuschung und einer wachsenden Panik zermürbt, die giftig genug war, ihn unbeweglich zu machen – zumindest geistig, wenn auch nicht körperlich. Und die nachfolgende Sintflut war überraschend tröstlich, selbst als das Wasser immer höher stieg.
Was aber auch, wie er bemerkte, als er die tückischen, vermoderten schmierigen Stufen überwand, kaum einen Unterschied zu diesem verfluchten Regen machte – oder dem, was die langjährigen Einwohner hier so nannten … trotz des klaren Himmels. Meistens kommt der Regen runter, sagten sie, aber manchmal kommt er auch hoch, sickert durch die bröckeligen Pflastersteine der einzelnen Stadtviertel, verwandelt unterhalb der Erdoberfläche gelegene Einrichtungen wie Schaffs Schenke in sumpfigen Morast, während gleichzeitig eine summende Wolke aus Moskitos den Eingang bewacht und der Gestank überlaufender Kloaken so durchdringend ist, dass die Alteingesessenen seine Ankunft mit den gleichen Worten verkünden, mit denen sie die Ankunft einer wirklichen Person, die unglücklicherweise Gestank hieß, verkünden würden – und so wird er in einer sowieso schon schäbigen Gesellschaft zwar nicht willkommen geheißen, aber doch begrüßt.
Und Banaschar befand sich in diesen Tagen wirklich in höchst schäbiger Gesellschaft. Veteranen, die es vermieden, nüchtern zu werden, als wäre das ein Fluch; Huren, die ihr Herz aus Gold schon lange auf der Straße verkauft hatten – falls sie überhaupt jemals eines besessen hatten; dürftige Jugendliche mit entsprechend bescheidenen Zielen – der niederträchtigste Schläger in diesem Wirrwarr aus stinkenden Straßen und Gassen zu sein; Meisterdieb jener wenigen Habseligkeiten, die die Armen besaßen; der widerlichste, hinterhältigste Messerstecher mit mindestens fünfzig Knoten an den Gelenkbändern, wobei jeder Knoten jemanden ehrte, der dumm genug gewesen war, ihm zu trauen; und natürlich die übliche Sammlung von Leibwächtern und Muskelprotzen, deren Hirn man irgendwann in ihrem Leben die Luft geraubt hatte; Schmuggler und Möchtegernschmuggler, Spitzel und die Imperialen Spione, denen sie Bericht erstatteten, Spione, die Spione ausspionierten, Händler unzähliger Substanzen, Benutzer besagter Substanzen auf ihrem Weg in das Vergessen des Abgrunds; und hier und da Leute, die sich in keine Gruppe einordnen ließen, da sie nichts über ihr Leben, ihre Geschichte oder ihre Geheimnisse verrieten.
In gewisser Hinsicht war auch Banaschar so jemand – zumindest an seinen besseren Tagen. Zu anderen Zeiten – solchen wie jetzt – konnte er keinen Anspruch auf eine mögliche – wenn auch unwahrscheinliche – Grandiosität erheben. An diesem Nachmittag war er früh zu Schaffs’ gekommen, mit dem
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