SdG 11 - Die Kochenjäger
habt?«
Fiedler wandte den Kopf ab und spuckte Blut, dann lächelte er – ein grässliches Lächeln, das einen frösteln machte, die abblätternden Lippen teilten sich in zwei Reihen roter, glänzender Risse. »Stimmt«, sagte er krächzend, »wir sind auf die Jagd gegangen … durch die Knochen der verdammten Stadt. Und dann sind wir mit Hilfe von Hauptmann Sort wieder aus dem Grab gekrochen.«
Die Mandata wandte den Blick von dem zerlumpten Sergeanten ab, ließ ihn langsam an der Reihe hagerer Gesichter entlangschweifen, an den toten Augen, die aus staubverklebten Gesichtern starrten, der nackten, blasenübersäten Haut. »Dann seid ihr also wirklich Knochenjäger.« Sie unterbrach sich, als Poren seine Heiler mit den Wasserblasen nach vorne führte, und sagte dann: »Willkommen zurück, Soldaten.«
Buch Zwei
Die Knochenjäger
Wer will leugnen, dass es unsere Natur ist, von unseren Artgenossen immer nur das Schlimmste anzunehmen? Selbst als überall im Reich der Sieben Städte Kulte entstanden und zu einer übergeordneten Verehrung verschmolzen wurden – wobei nicht nur Coltaine, der Geflügelte, die Schwarze Feder, verehrt wurde, sondern auch die Kette der Hunde an sich –, und zwar an Schreinen, die aus den bloßen Abfällen entlang jenes unglückseligen Wegs zu erwachsen schienen, Schreinen, die als Sühne für einen toten Helden nach dem anderen dienten: Bult, Lull, Schwätzer, Sormo E’nath, sogar Baria und Meskar Setral von den Roten Klingen; und für den Tollhund-Clan, den Wiesel-Clan und natürlich den Krähen-Clan und die Siebte Armee an sich; während am Gelor-Kamm, in einem uralten Kloster, das einen Ausblick auf das alte Schlachtfeld gewährte, ein neuer Kult geboren wurde, der sich um Pferde drehte – selbst als also dieses umfassende Fieber der Verehrung das Reich der Sieben Städte im Griff hatte, brachten gewisse Agenten im Herzen des malazanischen Imperiums unter der einfachen Bevölkerung Geschichten in Umlauf, die genau das Gegenteil beinhalteten: dass Coltaine das Imperium verraten hätte; dass er ein Abtrünniger gewesen sei, der heimlich mit Sha’ik verbündet war. Denn wenn die zahllosen Flüchtlinge einfach in ihren Städten geblieben wären und die Herrschaft der Rebellen hingenommen hätten; wenn sie nicht von Coltaine und seinen blutrünstigen Wickanern mitgeschleppt worden wären; und wenn Kulp, der Anführer des Magier-Kaders der Siebten, nicht auf so geheimnisvolle Weise verschwunden wäre und so die malazanische Armee für die zauberischen Machenschaften und tatsächlichen Manipulationen der wickanischen Waerlogas verwundbar gemacht hätte – wenn also all das nicht geschehen wäre, dann hätte es kein Gemetzel gegeben, kein schreckliches Martyrium in Form der Überquerung eines halben Kontinents, allen räuberischen, halbwilden Stämmen des Ödlands ausgeliefert. Doch am abscheulichsten von allem war, dass Coltaine dann im Bunde mit dem verräterischen Imperialen Historiker Duiker dem späteren Verrat sowie der darauf folgenden Auslöschung der Aren-Armee Vorschub geleistet hätte, die von der naiven Hohefaust Pormqual angeführt wurde, dem ersten Opfer dieses schrecklichen Verrats. Warum sonst sollten ausgerechnet die Rebellen aus dem Reich der Sieben Städte solche Gestalten verehren, wenn nicht deswegen, weil sie in Coltaine und dem Rest heldenhafte Verbündete sehen …?
In jedem Fall, ob nun offiziell gebilligt oder nicht, flammte die Verfolgung der Wickaner im Imperium heiß und alles verschlingend auf, da sie so reichlich genährt wurde …
Das Jahr der Zehntausend Lügen
Kayessan
Kapitel Sechs
Was bleibt da noch zu verstehen? Die Wahl zu haben, ist eine Illusion. Freiheit ist Täuschung. Die Hände, die sich ausstrecken, jeden deiner Schritte, jeden deiner Gedanken zu leiten, kommen nicht von den Göttern, denn die werden nicht weniger irregeführt als wir – nein, meine Freunde, diese Hände kommen zu jedem von uns … von jedem von uns. Ihr mögt glauben, dass die Zivilisation uns mit Zehntausenden von Stimmen taub macht, aber hört gut auf das Geschrei, denn mit jedem sich wiederholenden Ausbruch – so unterschiedlich er auch sein, so unzählig oft er auch stattfinden mag – erwacht eine uralte Macht, die jeden Lärm anzieht, bis der Chor nur noch zwei Seiten bildet, die einander bekämpfen. Die blutigen Linien sind gezogen, werden im Abwenden von Gesichtern, im Verstopfen von Ohren und in kalter Leugnung verfochten, und jedes
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