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SdG 11 - Die Kochenjäger

SdG 11 - Die Kochenjäger

Titel: SdG 11 - Die Kochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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werden.
    Taralack Veed starrte hinter ihr her.
    »Sie verbirgt sich«, sagte Icarium mit leiser, trauriger Stimme. »Doch ihre Seele stirbt von innen.«
    »Glaubst du, mein Freund«, sagte der Gral und wandte sich erneut dem Jhag zu, »sie ist die Einzige, die stumm leidet? Dass sie als Einzige sich duckt, weil ihre Ehre unter dem leidet, was sie tun muss?«
    Icarium schüttelte den Kopf.
    »Dann denke an sie, wenn dein Entschluss ins Wanken gerät, mein Freund. Denk an Zwielicht. Und an all die anderen, die so sind wie sie.«
    Ein mattes Lächeln. »Aber gerade eben hast du noch gesagt, es gebe keine Unschuld.«
    »Eine Bemerkung, die das Verlangen nach Gerechtigkeit keineswegs überflüssig macht.«
    Der Blick des Jhag richtete sich kurz nach unten, schweifte dann durch den Raum und schien schließlich an den schmierigen Planken der Bordwand rechts von ihm hängen zu bleiben. »Nein«, flüsterte er, und es klang hohl und geisterhaft, »vermutlich nicht.«
     
    Schweiß glänzte auf den Felswänden, als ob der Druck der Welt unerträglich geworden wäre. Der Mann, der gerade wie aus dem Nichts aufgetaucht war, stand einige Zeit reglos da. Sein dunkelgrauer Kapuzenumhang sorgte dafür, dass er in der Düsternis kaum auszumachen war, aber die einzigen Zeugen dieser Besonderheit waren ebenso gleichgültig wie blind – die Maden, die sich im zerfetzten, verfaulenden Fleisch der Toten wanden, die überall auf dem länglichen, rauen Grund der Schlucht lagen.
    Der Gestank war überwältigend, und Cotillion wurde von einem kummerbeladenen vertrauten Gefühl überflutet, als sei dies der wahre Geruch des Daseins. Es hatte Zeiten gegeben – dessen war er sich fast sicher –, in denen er ungemilderte Freude gekannt hatte, aber sie waren in seiner Erinnerung so verblasst, dass er angefangen hatte, sie für Hirngespinste seiner eigenen Sehnsucht zu halten. Mit den Menschen war es genauso wie mit Zivilisationen und ihren goldenen Zeitaltern: Jedes Individuum sehnte sich immer nach jenem goldenen, vergangenen Augenblick voll wahrem Frieden und Wohlbefinden zurück.
    Allzu oft wurzelten diese Sehnsüchte in der Kindheit, in einer Zeit, ehe der kritische Blick der Aufklärung die Seele heimgesucht und das, was einfach erschienen war, seine Komplexität entfaltet hatte wie die Blütenblätter einer giftigen Blume, die den ansteckenden Duft des Verfalls verströmte.
    Bei den Leichen handelte es sich um junge Männer und Frauen, die eigentlich viel zu jung waren, um Soldaten zu sein – obwohl sie genau das gewesen waren. Jegliche Erinnerungen an Trost waren wahrscheinlich schon damals aus ihren Köpfen gelöscht worden, als sie an einem Ort und in einer Welt, die sie einst Heimat genannt hatten, an hölzernen Kreuzen gehangen hatten – mit eisernen Nägeln angeheftet –, ohne dass sie verstanden hatten, was denn ihr Verbrechen gewesen war. Natürlich hatte es gar keine Verbrechen gegeben. Und das Blut, das sie so reichlich vergossen hatten, hatte keinen Beweis für irgendeinen Makel gezeigt, denn genauso wenig wie der Name eines Volkes konnte die Hautfarbe seiner Angehörigen noch der Schnitt ihrer Gesichtszüge ihr Lebensblut irgendwie weniger rein machen – oder weniger kostbar.
    Willfährige Narren mit Mordgelüsten im verkommenen Herzen glaubten etwas anderes. Sie unterteilten die Toten in unschuldige Opfer und gerechterweise Bestrafte und wussten mit unangreifbarer Gewissheit, auf welcher Seite sie selbst standen. Mit solch einer Überzeugung war es leicht, mit dem Messer zuzustoßen.
    Hier hatten sie hart gekämpft, bemerkte er, als er sich in Bewegung setzte. Eine offene Feldschlacht, dann ein kämpfender Rückzug. Beweis einer hervorragenden Ausbildung und Disziplin und eines grimmigen Widerwillens, nachzugeben, ohne einen Preis zu fordern. Die Feinde hatten ihre eigenen Gefallenen mitgenommen, doch für diese toten Jugendlichen war die Schlucht nun ihre Gruft. Von ihren Kreuzen gerettet … für das hier.
    Es hatte so viele … dringende Aufgaben gegeben. Lebenswichtige Notwendigkeiten. So dass wir diese Kompanie vernachlässigt haben, eine Kompanie, die wir selbst hier verborgen haben, um das zu verteidigen, was wir als unser Eigentum beanspruchen. Und dann muss es so ausgesehen haben, als hätten wir sie im Stich gelassen. Was diese schreckliche Schlussfolgerung anging, lagen sie – wie er sich säuerlich eingestehen musste – nicht besonders falsch. Aber wir werden jetzt von allen Seiten angegriffen. Dies ist

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