SdG 11 - Die Kochenjäger
unser verzweifeltster Augenblick. Genau jetzt … ach, meine gefallenen Freunde, es tut mir so leid …
Die Lebenden gaben sich gern der Täuschung hin, dass ihre Worte die Toten beruhigen könnten. Oder – was noch schlimmer war – sie sprachen mit den Toten, wollten, dass sie ihnen Vergebung gewährten. Doch die Gefallenen kannten nur eine einzige Botschaft, die sie den Lebenden überbringen wollten, und die hatte nichts mit Vergebung zu tun. Vergiss das nicht, Cotillion. Achte immer sorgsam darauf, was die Toten dir und allen anderen immer und immer wieder aufs Neue erzählen.
Er hörte Geräusche ein Stück weiter vorn. Ein gedämpftes, rhythmisches Schaben, wie eiserne Zinken, die über Leder strichen, dann die leisen Schritte von jemandem in Mokassins.
Die ohnehin nicht allzu breite Schlucht wurde noch einmal deutlich schmaler, und die engste Stelle wurde von einem T’lan Imass blockiert, das Schwert vor sich, so dass die Spitze auf einem Felsblock ruhte – und er beobachtete, wie Cotillion näherkam. Hinter dem untoten Krieger war das matte gelbe Schimmern von Laternen zu sehen; ein Schatten huschte durch das Zwielicht, gefolgt von einem zweiten – und dann trat eine Gestalt in sein Blickfeld.
»Geh beiseite, Ibra Gholan«, sagte Minala, den Blick auf Cotillion gerichtet.
Ihre Rüstung hing in Fetzen. Hoch oben an der Brust – knapp unterhalb ihrer linken Schulter – hatte sich eine Speerspitze durch Kettengewebe und Leder gebohrt. Altes Blut verkrustete die Ränder. Ihrem Helm fehlte auf einer Seite der Wangenschutz, und der Teil von ihrem Gesicht, der dadurch zu sehen war, war geschwollen und mit blauen Flecken übersät. Ihre außergewöhnlich hellen grauen Augen waren immer noch starr auf Cotillion gerichtet, als sie sich an dem T’lan Imass vorbeischob. »Sie kommen durch ein Tor«, sagte sie. »Ein Gewirr, das von silbernem Feuer erhellt wird.«
»Chaos«, sagte er. »Ein Beweis für das Bündnis, das wir immer befürchtet haben. Minala, wie viele Angriffe habt ihr zurückgeschlagen?«
»Vier.« Sie zögerte, löste dann die Riemen und nahm den Helm ab. Schweißfeuchte, verfilzte Haare fielen ihr sich kringelnd auf die Schultern. »Meine Kinder … wir haben schwere Verluste erlitten.«
Cotillion konnte ihrem Blick nicht länger standhalten. Nicht nach diesem Eingeständnis.
»Wenn die T’lan Imass nicht wären«, fuhr sie langsam fort, »und Apt und dieser abtrünnige Tiste Edur, wäre der verdammte Erste Thron jetzt im Besitz einer Armee blutrünstiger Barbaren.«
»Dann sind die Angreifer«, sagte Cotillion vorsichtig, »bisher ausschließlich Tiste Edur gewesen?«
»Ja.« Sie musterte ihn mehrere Herzschläge lang. »Das wird nicht so bleiben, was?«
Cotillions Blick richtete sich erneut auf Ibra Gholan.
»Die Edur sind nichts weiter als Plänkler, stimmt’s?«, fuhr Minala fort. »Und selbst sie haben sich dieser Sache noch nicht mit aller Macht verschrieben. Warum?«
»Sie sind so weit verstreut wie wir, Minala.«
»Aha. Dann kann ich also keine weiteren Aptorian erwarten. Was ist mit den anderen Dämonen Eurer Sphäre, Cotillion? Den Azalan? Dinal? Könnt Ihr uns gar nichts geben?«
»Wir können«, sagte er. »Aber jetzt nicht.«
»Wann dann?«
Er blickte sie an. »Wenn die Not am größten ist.«
Minala trat dicht an ihn heran. »Dreckskerl. Ich hatte dreizehnhundert. Jetzt habe ich noch vierhundert, die noch kämpfen können.« Sie deutete mit einem Finger auf das Gelände hinter der Engstelle. »Und fast dreihundert sind schwer verwundet oder liegen im Sterben – und ich kann nicht das Geringste für sie tun!«
»Schattenthron wird unterrichtet werden«, sagte Cotillion. »Er wird kommen. Er wird deine Verwundeten heilen – «
»Wann?«
Das Wort war fast schon ein Knurren.
»Wenn ich hier weggehe«, antwortete er, »kehre ich direkt zur Schattenfeste zurück. Minala, ich möchte mit den anderen sprechen.«
»Mit wem? Warum?«
Cotillion runzelte die Stirn. »Mit dem Abtrünnigen«, sagte er dann. »Eurem Tiste Edur. Ich habe … Fragen.«
»Ich habe noch nie jemanden so mit einem Speer umgehen sehen. Trull Sengar tötet und tötet – und dann, wenn alles vorbei ist und er im Blut seiner Verwandten kniet, die er getötet hat … weint er.«
»Kennen sie ihn?«, fragte Cotillion. »Nennen sie ihn beim Namen?«
»Nein. Er sagt, es sind Den-Ratha – und sie sind jung. Erst vor kurzem geblutet. Aber dann sagt er, es sei nur eine Frage der Zeit. Die Edur, die
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