SdG 11 - Die Kochenjäger
sich hartnäckig der Verdacht, dass die Entscheidung weit schwieriger werden könnte, als er es in diesem Moment zuzugeben wagte.
Entscheide ich mich zu leben, oder entscheide ich mich zu sterben?
Er blickte nach rechts und nach unten, zu jenen vier Schiffen direkt unter ihnen.
Sie hat aber wirklich eine Menge Leute mitgebracht, was?
Auf halbem Weg zum Rabenhügelpark drückte sich Buddl gegen eine Tür; sein Herz hämmerte, und Schweiß tropfte ihm aus dem Gesicht. Zauberei wogte durch sämtliche Straßen. Mockra. Sie verdrehte die Gedanken der Einfältigen und Leichtgläubigen, füllte die Köpfe mit dem Hunger nach Gewalttätigkeit. Und einzelne Gestalten, die gegen die Flut marschierten, waren Opfer in Wartestellung. Er war gezwungen gewesen, auf Umwegen zu dieser Tür zu gelangen, durch schmale, verstopfte Gässchen, hatte runter unter den Nordweg am Flussufer gemusst und bis zu den Knöcheln in dem dreckigen Schlamm des Flusses gesteckt, der ebenso heiß wie die Stadt und die ganze Insel war und von dem Insekten in gierigen Schwärmen aufstiegen. Aber zu guter Letzt war er angekommen.
Er zog ein Messer und kratzte vorsichtig an der Tür, aus Furcht, ein zu lautes Geräusch zu verursachen. Im Augenblick war die Straße hinter ihm leer, aber er konnte hören, wie Tumulte ausbrachen: das Splittern von Holz, das schrille Wiehern eines sterbenden Pferdes, und überall in der Stadt bellten Hunde, als ob eine alte Wolfserinnerung erwacht wäre. Er kratzte noch einmal.
Die Tür ging plötzlich auf. Eine große grauhaarige Frau starrte ausdrucklos auf ihn herunter.
»Agayla«, sagte Buddl. »Mein Onkel hat die Schwester des Mannes deiner Tante geheiratet. Wir sind verwandt!«
Sie trat zurück. »Komm rein, außer du hast vor, in Stücke gerissen zu werden!«
»Ich bin Buddl«, sagte er und folgte ihr in eine Apotheke, in der es betäubend nach Kräutern roch. »Das ist nicht mein richtiger Name, aber – «
»Oh, das spielt keine Rolle. Deine Stiefel sind dreckig. Wo kommst du her, und warum hast du dir ausgerechnet diese Nacht ausgesucht, um Malaz einen Besuch abzustatten? Tee?«
Blinzelnd nickte Buddl. »Ich komme von der Vierzehnten Armee, Agayla – «
»Nun, das war ziemlich dumm von dir, oder?«
»Wie bitte?«
»Du solltest dich wie alle anderen auf den Schiffen verstecken, mein lieber Junge.«
»Ich kann nicht. Ich meine, die Mandata hat mich geschickt – «
Sie drehte sich um. »Zu mir? Und warum?«
»Nein, so ist es nicht. Es war meine Idee hierherzukommen. Ich suche jemanden. Es ist wichtig – ich brauche deine Hilfe.«
Sie drehte ihm wieder den Rücken zu und goss Kräutertee in zwei Becher. »Komm, nimm dir deinen Tee, Buddl.«
Als er vortrat, wandte sich Agayla ihm rasch wieder zu, griff in die Falten seines Umhangs und holte die Puppe hervor. Sie musterte sie einen Augenblick und schüttelte sie dann vor Buddls Gesicht. Dabei sah sie ihn finster an. »Und was ist das? Hast du eine Ahnung, womit du da herumspielst, Kind?«
»Kind? Moment mal – «
»Ist dies der Mann, den du finden musst?«
»Nun ja – «
»Dann lässt du mir keine Wahl, oder?«
»Bitte?«
Sie stopfte die Puppe zurück in die Falten seines Umhangs und wandte sich erneut ab. »Trink deinen Tee. Und dann werden wir uns unterhalten.«
»Kannst du mir helfen?«
»Die Welt zu retten? Nun ja, natürlich.«
Die Welt retten? Nun, Mandata, den Teil habt Ihr nie erwähnt.
Koryk rollte die Schultern, um das Gewicht des schweren Kettenhemds auszugleichen. Das Langschwert und der Schild lagen auf den feuchten Steinen hinter ihm. In seinen behandschuhten Händen hielt er seine Armbrust. Drei Schritte links von ihm stand Lächeln, einen Fetzer in der rechten Hand; ihre gebleckten Zähne schimmerten hell im matten Mondlicht. Rechts von ihm war Krake, kauerte über einer Sammlung von Moranth-Munition, die auf einem ausgebreiteten Regenumhang lag. Auch ein Knaller war dabei.
»Moment mal, Krake«, sagte Koryk, als er die übergroße Granate sah. »Schaff den Knaller wieder runter, ja? Es sei denn, du hast vor, hier alle in die Luft zu jagen, ganz zu schweigen von der Silanda und der Geiferwolf.«
Der Sappeur schaute blinzelnd zu ihm hoch. »Wenn wir hundert von ihnen mitnehmen, bin ich glücklich, Koryk. Mach dir keine Gedanken um das Ding. Die ist für ganz am Schluss. Bis dahin wird von euch sowieso keiner mehr stehen.«
»Aber vielleicht immer noch am Leben sein – «
»Versuche, das zu vermeiden, Soldat. Es
Weitere Kostenlose Bücher