SdG 11 - Die Kochenjäger
werde ich mich dem Wunsch, Euch auf der Stelle zu töten, nicht mehr lange widersetzen.«
»Jawohl, Hauptmann.«
»Leutnant …«
Poren machte den Mund zu – und hielt ihn. Zumindest im Augenblick.
Die Gestalt landete mit einem kaum hörbaren Geräusch auf dem kaputten schiefen Dach. Hielt kurz inne, um die überall herumliegenden Leichen zu betrachten. Und näherte sich dann dem großen Loch am einen Ende.
Als sie näher kam, schien eine zweite Gestalt sich gleichsam aus dem Nichts zu materialisieren, auf einem Knie über einem unweit des Lochs auf dem Bauch liegenden Leichnam kauernd. Im Rücken des Leichnams steckte ein Armbrustbolzen, dessen Befiederung aus Fischgräten bestand – die Backenknochen irgendeiner großen, in den Meeren beheimateten Art, fahlweiß und halb durchsichtig. Der Neuankömmling drehte sich um und wandte der näher kommenden Gestalt ein geisterhaftes Gesicht zu.
»Der Meister der Klaue hat mich getötet«, sagte die Erscheinung mit rauer Stimme und deutete dabei auf ihren eigenen Leichnam zu ihren Füßen. »Noch während ich mit meinem letzten Atemzug seinen Namen verfluchte. Ich glaube … ja, ich glaube, das ist der Grund, warum ich noch immer hier bin, warum ich noch nicht bereit bin, durchs Tor des Vermummten zu schreiten. Es ist ein Geschenk … ein Geschenk an dich. Er hat Kalam Mekhar getötet. Mit kartoolianischem Paralt.« Der Geist drehte sich ein Stück zur Seite und deutete auf den Rand des Lochs. »Kalam – er hat den Bolzen herausgezogen … das ist natürlich sinnlos und ändert nichts, denn das Paralt ist schon in seinem Blut. Aber ich habe es Perl nicht gesagt – der Bolzen liegt da drüben, direkt am Rand. Nimm ihn. Es ist immer noch genug Gift daran. Nimm ihn. Für den Meister der Klaue.«
Im nächsten Augenblick war der Geist verschwunden.
Die vermummte Gestalt kauerte sich hin und hob den blutverschmierten Bolzen mit einer behandschuhten Hand auf. Steckte ihn in eine Falte der Schärpe, die sie als Gürtel benutzte, richtete sich wieder auf und verließ das Dach.
Mit unglaublicher Geschwindigkeit bewegte sich die einsame Gestalt durch Stränge aus bösartiger Zauberei die Straße entlang, wich dabei geschickt sämtlichen Fallstricken aus – den funkelnden Nestern aus Hoch-Ruse, den flüsternden Verlockungen Mockras –, um dann in die lichtschluckenden Pfade Rashans einzutauchen, in denen nur wenige Augenblicke zuvor Assassinen der Klaue entlanggerast waren – und ihnen hinterherzujagen, jeweils einen Dolch in den von Lederhandschuhen umhüllten Händen.
In der Nähe des Hafens tauchten die Klauen aus ihren Gewirren auf, sammelten sich zu Dutzenden, kurz davor, mit einem Großangriff auf die fremden Soldaten zu beginnen – auf alle Menschen, die sich an Bord der beiden vertäut an der Mole liegenden Schiffe befanden.
Die Gestalt näherte sich ihnen rasch von hinten, und dabei erlangten ihre Bewegungen eine unmenschliche Geschmeidigkeit, wobei sie gleichzeitig einen Strom von Schatten wob, und ihre Annäherung, die bisher schnell gewesen war, verwandelte sich in etwas anderes – etwas, das schneller war als ein menschliches Auge es in dieser Nacht voller Düsternis und Rauch erfassen konnte –, und dann ging der einsame Angreifer auf die erste Hand los.
Blut spritzte in hohem Bogen, Leichen sackten beiderseits seines Weges zusammen, als er sich wie ein tödlicher Wirbelsturm durch ihre Reihen fraß. Klauen wirbelten herum, riefen, schrien … und starben.
Perl, der Meister der Klaue, vernahm die Geräusche und drehte sich um. Mehr als zwanzig Hände befanden sich zwischen ihm und der Nachhut – einer Nachhut, die nun sich windend oder reglos auf den Pflastersteinen lag, während etwas – jemand – durch sie hindurchfetzte. Bei den Göttern hienieden. Ein Schattentänzer. Wer – Cotillion? Kaltes Entsetzen packte ihn, schlug eisige Krallen in seine Brust. Der Gott. Der Schutzpatron der Assassinen – er kommt, um mich zu holen.
Beim Namen Kalam Mekhars, er kommt, um mich zu holen!
Er wirbelte herum und schaute sich hektisch um, suchte fieberhaft nach einem Schlupfloch. Zum Vermummten mit den verdammten Händen! Perl schob ein paar im Wege stehende Gestalten beiseite und rannte.
Eine enge Gasse zwischen zwei Lagerhäusern, in der Dunkelheit nistete. Nur noch wenige Augenblicke, dann würde er sein Gewirr öffnen, einen Riss erschaffen und sich hindurchstürzen – sich hindurchstürzen und weg sein.
Er hatte jetzt die Waffen in
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