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SdG 11 - Die Kochenjäger

SdG 11 - Die Kochenjäger

Titel: SdG 11 - Die Kochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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und den Geschichten all derjenigen, die einst dort gelebt hatten, überdauerten nicht einmal Knochen.
    Dejim Nebrahl erinnerte sich an die Fischer, die in den Ruinen gehaust hatten – sie hatten in ihren auf Pfählen stehenden, verwahrlosten Hütten gelebt, mit ihren runden Lederbooten das Wasser befahren und waren auf den hölzernen Plattformen herumgelaufen, die die natürlichen Kanäle überquerten, die sich durch den Sumpf wanden. Sie waren keine Nachfahren der Bevölkerung von Yadeth Garath. Sie wussten nichts von dem, was unter dem schwarzen Schlamm wirbelte, und dies war schon für sich allein betrachtet eine unwiderlegbare Tatsache – dass am Ende auch die Erinnerung dahinwelkte und starb. Es gab keinen einzigen Baum des Lebens, ganz egal, wie einzigartig und ursprünglich dieses Yadeth Garath auch gewesen sein mochte – nein, da „war ein Wald, und hin und wieder fiel ein Baum um, dessen Stamm durchgefault war, und verschwand rasch im luftlosen Schlamm.
    Dejim Nebrahl erinnerte sich an die Fischer, daran, wie ihr Blut nach Fischen und Weichtieren geschmeckt hatte, träge, schwülstig und von Dummheit umwölkt. Wenn Mann und Frau sich nicht erinnern können – nicht erinnern wollen –, dann verdienten sie das, was über sie hereinbrach. Tod, Zerstörung und Verwüstung. Dies war nicht das Urteil eines Gottes – es war das Urteil der Welt, der Natur. Eingefordert mittels jener Verschwörung der Gleichgültigkeit, die die Menschheit so erschreckte und verwirrte.
    Land versinkt. Wasser strömt herein. Die Regenfälle kommen und bleiben dann aus. Wälder sterben, erheben sich wieder und sterben erneut. Männer und Frauen kauern mit ihrer Brut in dunklen Zimmern, beginnen viel zu spät mit ihrem Gebettel, und in ihren Augen steht nichts als dumpfes Versagen. Sie sind jetzt zerbrochene Flecken aus Grau und Weiß im schwarzen Schlick, reglos wie die Erinnerung an Sterne an einem lange toten Nachthimmel.
    Das Urteil der Natur einzufordern, das war Dejim Nebrahls Absicht. Denn die, die vergessen haben, belauert ihr eigener Schatten. Für die, die vergessen haben, kommt der Tod immer unerwartet.
    Der T’rolbarahl war zu den Ruinen von Yadeth Garath zurückgekehrt, als hätte ihn irgendein verzweifelter Instinkt dorthin gezogen. Dejim Nebrahl war kurz vor dem Verhungern. Seit er in der Nähe der Karawane mit dem Magier zusammengestoßen war, hatte seine Wanderung ihn durch Landschaften geführt, die von Tod und Verwesung verpestet waren. Nichts als aufgeblähte, geschwärzte Leichname, umwittert von der Pest. Solche Dinge konnten ihn nicht nähren.
    Die Intelligenz des Vielwandlers hatte einem Drängen in seinen Eingeweiden Platz gemacht, einem schrecklichen Druck, der ihn immer weiter auf einen Pfad alter Erinnerungen trieb, zu Orten, an denen er einst gefressen hatte, an denen das Blut heiß und frisch durch seine Kehlen geronnen war.
    Kanarbar Belid, jetzt nichts weiter als Staub. Vithan Taur, die große Stadt in der Klippe – jetzt gab es nicht einmal mehr die Klippe. Ein Haufen Tonscherben war alles, was von Minikenar übrig geblieben war, einer einstmals blühenden Stadt an den Ufern eines Flusses, der längst ausgetrocknet war. Was die Dörfer im Norden Minikenars anbelangte, so gab es nicht einmal mehr den kleinsten Hinweis, dass sie überhaupt existiert hatten. Dejim Nebrahl hatte angefangen, an seinen eigenen Erinnerungen zu zweifeln.
    Er wurde weitergetrieben, über die zerfressenen Hügel und in die stinkende Marsch, auf der Suche nach einem anderen Fischerdorf. Aber er war das letzte Mal zu gründlich gewesen, vor all jenen Jahrhunderten, und niemand war gekommen, um den Platz der Dahingemetzelten einzunehmen. Vielleicht warf eine alte Erinnerung, die nicht vergangen war, ein Leichtentuch, in dem es spukte, über den Sumpf. Vielleicht entließen die aufsteigenden Gasblasen immer noch uralte Schreie, und die Männer in den Booten von den Inseln, die nahe vorbeikamen, machten abwehrende Gesten, ehe sie die Ruderpinne hart herumzogen.
    Fiebernd und schwächer werdend wanderte Dejim Nebrahl durch die verfaulte Landschaft.
    Bis der Vielwandler einen schwachen Geruch auffing.
    Ein Tier – und ein Mensch. Kraftvoll, lebendig und nah.
    Der T’rolbarahl – fünf Kreaturen aus Muskeln und Schatten, die einem Alptraum entsprungen waren – hob die Köpfe und blickte mit zusammengekniffenen Augen nach Süden. Da, gleich jenseits der Hügel, auf dem zerbröckelnden Weg, der einst eine ebene Straße gewesen

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