SdG 11 - Die Kochenjäger
und gütiger ein Gott ist, desto härter und grausamer sind seine Anhänger, denn sie halten an ihrer Überzeugung mit einer strammen Gewissheit fest, die in ihrem Übermaß schon fiebrig ist, und können daher Andersdenkende nicht ertragen. Sie töten, sie foltern im Namen dieses Gottes. Und sehen darin keinen Widerspruch, ganz egal, wie blutbefleckt ihre Hände auch sein mögen.
Torahavals Hände waren blutbefleckt, mittlerweile im übertragenen Sinn, aber einst in einem höchst wörtlichen. Dazu getrieben, eine große Leere in ihrer Seele zu füllen, hatte sie sich hineingestürzt, sich ertränkt; sie hatte nach einer von außen kommenden Hand der Erlösung gesucht – hatte nach etwas gesucht, das sie in ihrem Innern nicht finden konnte. Und, ob gütig und prall vor Liebe oder brutal und schmerzhaft, die Berührung eines jeden Gottes hatte sich für sie gleich angefühlt – war durch die dumpfe Besessenheit, die ihr Verlangen darstellte, kaum spürbar gewesen.
Sie war auf den gegenwärtigen Pfad genauso gestolpert, wie sie auf so viele andere gestolpert war, aber dieses Mal schien es, als gäbe es keinen Weg zurück. Jede Alternative, jede andere Möglichkeit war vor ihren Augen verschwunden. Die ersten Fäden des Netzes waren vor mehr als vierzehn Monaten gewoben worden, in Karashimesh, ihrer erwählten Heimatstadt am Ufer des Binnenmeeres namens Karas-See – ein Netz, dem sie seither – in einer Art lüsterner Vorsätzlichkeit – erlaubt hatte, sich enger und enger um sie zusammenzuziehen.
Die süße Verlockung der Grauen Göttin, die im Geiste jetzt die vergiftete Geliebte des Angeketteten war – die Verführung der Fehlerhaften hatte sich als so schrecklich verlockend erwiesen. Und tödlich. Für uns beide. Dies war, wie ihr klar wurde, während sie hinter Bridthok den Gang des Ruhms entlangtrottete, der zum Querschiff führte, nicht mehr als das Spreizen der Beine angesichts einer unausweichlichen, halbwegs herausgeforderten Vergewaltigung. Das Bedauern würde – wenn überhaupt – später kommen.
Nun, das war dann vielleicht ein höchst passendes Ende.
Für diese dumme Frau, die niemals gelernt hat, wie man lebt.
Die Macht der Grauen Göttin wirbelte in dicken Schwaden durch die eingeschlagene Tür, so giftig, als könnte sie Stein zum Verfaulen bringen.
Auf der Schwelle wurden Bridthok und Torahaval von den übrig gebliebenen Akolythen dieses verzweifelten Glaubens erwartet. Septhune Anabhin von Omari; und Sradal Purthu, der vor einem Jahr – und nach dem gescheiterten Versuch, die malazanische Hündin namens Brunspatz zu töten – aus Y’Ghatan geflohen war. Beide wirkten nun irgendwie geschrumpft, irgendeine Essenz ihrer Seele war ausgelaufen, hatte sich in dem Miasma wie Salz im Wasser aufgelöst. Und als sie sich nun umdrehten und beobachteten, wie Bridthol und Torahaval herankamen, wirkten ihre Blicke gequält und entsetzt.
»Sribin ist tot«, flüsterte Septhune. »Sie wird jemand anderen erwählen.«
Und das tat sie.
Eine unsichtbare, große, mit Klauen versehene Hand – mit mehr Fingern, als ein geistig gesundes Wesen sich ausdenken konnte – schloss sich um Torahavals Brust. Speere aus Schmerz bohrten sich tief in sie hinein. Ein ersticktes Keuchen drang aus ihrer Kehle, und dann stolperte sie vorwärts, schob sich zwischen den anderen hindurch, die alle zurückwichen, und in deren Augen sich Erleichterung und Mitleid spiegelten – wobei die Erleichterung das Mitleid bei weitem überwog. Hass auf sie zuckte durch Torahaval hindurch, noch während sie in das Altarzimmer taumelte; mit vom beißenden Nebel der Pestilenz brennenden Augen hob sie den Kopf und sah Poliel an.
Und sah den Hunger, der das Verlangen war.
Die Schmerzen breiteten sich aus, erfüllten ihren Körper – und ließen wieder nach, als die klauenbewehrte Hand zurückgezogen wurde, die verkrusteten Krallen sich lösten.
Torahaval fiel auf die Knie und rutschte hilflos in ihrem eigenen Schweiß aus, der auf dem Mosaikfußboden unter ihr eine Pfütze bildete.
Sieh dich vor, um was du bittest! Sieh dich vor, was du begehrst.
Hufgetrappel, das vom Gang des Ruhms kam und lauter wurde.
Ein Reiter kommt. Ein Reiter? Was – wer wagt so etwas – bei den Göttern hienieden, ich danke dir, wer immer du auch sein magst. Ich danke dir. Sie klammerte sich noch immer an die Kante. Noch ein paar Atemzüge, nur noch ein paar Atemzüge länger …
Höhnisch grinsend schob sich Matschgesicht zwischen den Priestern
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