SdG 11 - Die Kochenjäger
den Wunsch zu sterben, aber ich muss darauf hinweisen, dass dieser Mann da nicht für mich spricht. Solltest du ihn für seine Respektlosigkeit erschlagen, werde ich darin ganz gewiss nichts Ungerechtes oder Unverdientes sehen. Tatsächlich – «
»Sei still, Sterblicher«, sagte das Mädchen mit einer viel älteren Stimme. »In diesem Mann da steht die ganze Welt auf Messers Schneide, und ich werde nicht für immer als diejenige bekannt sein, die dafür verantwortlich war, dass dieser Zustand sich geändert hat. Auf welche Weise auch immer. Und jetzt mach dich bereit zu reiten – ich werde dich führen, aber ich werde kein einziges Mal auf dich warten, wenn du dich verirrst.«
»Ich dachte, Ihr hättet angeboten, mich zu führen – «
»Das ist jetzt nicht mehr so wichtig«, sagte sie grinsend. »Man könnte auch sagen, es hat eine höchst unheilige Umstellung gegeben. Nein, was ich jetzt will, ist zusehen. Hast du verstanden? Ich will zusehen!« Und mit diesen Worten wirbelte sie herum und rannte davon.
Fluchend drückte der Feldscher seinem Reittier die Fersen in die Flanken und preschte hinter dem Mädchen her.
Paran ritt in einem leichten Galopp die Hauptstraße entlang, die keineswegs wie G’danisbans Lebensader, sondern viel eher wie der Prozessionsweg in eine Totenstadt wirkte, bis er ein Stück voraus einen Mob sah, vor dem ein einzelner Mann stand – in den Händen die Sense eines Bauern, von der ein blutverkrusteter Pferdeschweif baumelte. Die bunte Armee – alles in allem etwa dreißig bis vierzig Leute – sah aus wie in der Grabstätte eines Armen rekrutiert. Von offenen Wunden und Schwielen bedeckt, mit verdrehten Gliedern, schlaffen Gesichtern und Augen, in denen der Wahnsinn glänzte. Manche trugen Schwerter, andere Schlachterbeile und -messer oder Speere, Schäferstäbe oder dicke Äste. Die meisten schienen sich kaum auf den Beinen halten zu können.
Bei ihrem Anführer – dem Mann, den das Mädchen Matschgesicht genannt hatte – war das allerdings nicht der Fall. Das Gesicht des Mannes war in der Tat ziemlich missgestaltet, am rechten Unterkiefer waren Fleisch und Knochen nach innen gedrückt, und diese Delle verlief diagonal über sein Gesicht bis zum rechten Wangenknochen. Er war, wie dem Hauptmann klar wurde, von einem Pferd gebissen worden.
… dein Pferd zuerst. Denn er hasst solche Kreaturen …
Die Augen in dem zerstörten Gesicht, die irgendwie schlecht ausgerichtet in den Augenhöhlen lagen, leuchteten hell, als ihr Blick auf Paran fiel. Etwas, das wohl ein Lächeln darstellen sollte, erschien auf den Lippen des Mannes – ein denkwürdiger Anblick, da sein Mund eher an eine eingestürzte Höhle als an alles andere erinnerte.
»Ist ihr Atem nicht süß genug für dich? Du bist stark, dass du ihr so widerstehen kannst. Als Erstes will sie wissen, wer du bist. Bevor«, sein Lächeln wurde breiter, »wir dich töten.«
»Die Graue Göttin weiß nicht, wer ich bin«, sagte Paran. »Und natürlich gibt es dafür einen Grund: Ich habe mich von ihr abgewandt. Mich kann sie zu nichts zwingen.«
Matschgesicht zuckte zusammen. »In deinen Augen … da ist ein Tier. Offenbare dich, Malazaner. Du bist nicht wie die anderen.«
»Teile ihr mit«, sagte Paran, »dass ich gekommen bin, um ein Angebot zu machen.«
Der Kopf neigte sich zur Seite. »Du willst die Graue Göttin beschwichtigen?«
»So könnte man es nennen. Aber ich sollte dir sagen, dass wir nicht viel Zeit haben.«
»Nicht viel Zeit? Warum?«
»Bring mich zu ihr, und ich werde es erklären. Aber schnell.«
»Sie fürchtet dich nicht.«
»Gut.«
Der Mann musterte Paran noch ein paar Herzschläge lang und winkte dann mit seiner Sense. »Dann folge mir.«
Es hatte viele Altäre gegeben, vor denen sie im Laufe der Jahre gekniet hatte, und aufgrund all dieser Erfahrungen hatte Torahaval Delat etwas entdeckt, das sie nun für wahr hielt. Alles, was angebetet wird, ist nichts weiter als eine Spiegelung des oder der Anbetenden. Ein einzelner Gott, ganz egal, wie gütig er auch sein mag, wird zu einer Vielzahl von Masken entstellt, die alle von den heimlichen Wünschen, Begierden, Ängsten und Freuden des einzelnen Sterblichen geformt werden, der nichts weiter als ein Spiel unterwürfiger Zustimmung spielt.
Die Gläubigen stürzten sich in den Glauben. Ertränkten sich förmlich darin.
Und es gab noch eine andere Wahrheit, eine, die oberflächlich betrachtet der ersten zu widersprechen schien. Je freundlicher
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