SdG 12 - Der Goldene Herrscher
Gegenstand, der sich in ihrem Besitz befinden soll, etwas, um Narren in die Höhle zu locken. Das ist plausibel, wenn Ihr mal darüber nachdenkt. Jeder Angelhaken braucht einen sich windenden Wurm. Und dann haben sie einen aus ihrer Mitte erwählt, der die Rolle des Verrückten Meisters spielen sollte - desjenigen, der versucht, die unheilvolle Macht des magischen Gegenstands hervorzubringen und so ein Paradies belebter Leichname zu schaffen, die durch eine Sphäre aus Asche und verschmähten Abfällen stolpern. Also, wenn das nicht Helden in hellen Scharen herbeilockt, dann wird nichts irgendetwas bewirken.«
»Haben sie Erfolg?«
»Einige Zeit. Aber erinnert Euch an die nicht so recht durchdachten Foltergeräte. Es ist unvermeidlich, dass irgendein wagemutiger und glücklicher Narr freikommt, einem dösenden Wächter - oder auch dreien - den Schädel einschlägt - und das Chaos auslöst. Endloses Gemetzel - hunderte, dann tausende von unausgebildeten bösen Kriegern, die vergessen haben, ihre Schwerter zu schleifen … und über die Schilde aus Birkenrinde, die der bucklige Holzfäller ihnen verkauft hatte, breiten wir jetzt einfach mal den Mantel des Schweigens.«
Bei diesen Worten musste sogar Forcht Sengar lachen. »In Ordnung, Udinaas, du hast gewonnen. Ich glaube, im Grunde ist mir deine Version lieber.«
Udinaas war so verblüfft, dass es ihm für einen Moment die Sprache verschlug. Er sah Seren Pedac an, die lächelte und sagte: »Du hast deine wahre Begabung enthüllt, Udinaas. Also, der Held kommt frei. Was dann?«
»Der Held tut nichts dergleichen. Stattdessen holt er sich dort unten in den dunklen Tunneln eine Erkältung. Er schafft es allerdings nach draußen und zieht sich in eine nahe gelegene Stadt zurück, wo die Seuche, die er in sich trägt, sich verbreitet und alle Einwohner tötet. Und jahrtausendelang wird der Name des Mannes bei jenen über wie unter der Erde zum Fluch.«
Nach ein paar Herzschlägen meldete sich Forcht zu Wort: »Oh, sogar deine Version enthält eine unausgesprochene Warnung, Sklave. Und die sollte ich wohl deiner Meinung nach beachten - was mich zu einer ganz bestimmten Frage führt: Was kümmert dich mein Schicksal? Du nennst mich aufgrund all der Ungerechtigkeiten, die mein Volk dir angetan hat, deinen Feind, deinen lebenslangen Gegner. Willst du wirklich, dass ich deine Botschaft beachte?«
»Mach, was du willst, Edur«, erwiderte Udinaas, »aber mein Glaube ist tiefer, als du dir vorstellen kannst, und er geht in eine ganz andere Richtung, als du offensichtlich annimmst. Ich habe gesagt, dass der Held davonkommt, zumindest kurzfristig, aber ich habe nichts von seinen unglücklichen Gefolgsleuten, seinen tapferen Gefährten erzählt.«
»Die alle in der Höhle gestorben sind.«
»Ganz und gar nicht. Nach dem Gemetzel war frisches Blut dringend vonnöten. Sie wurden allesamt von den Bösen adoptiert, die nur in einem relativen Sinn böse waren, denn sie waren krank und elend und hungrig und nicht besonders helle. Jedenfalls wurde die Kultur der Höhle auf großartige Weise wiedergeboren, woraufhin dort die schönsten Kunstgegenstände und Schmuckstücke entstanden, die die Welt jemals gesehen hat.«
»Und was ist dann passiert?«, fragte Seren.
»Es blieb so, bis ein neuer Held gekommen ist, aber das ist eine andere Geschichte für eine andere Gelegenheit. Ich bin jetzt heiser vom Reden.«
»Die Frauen der Tiste Edur«, sagte Forcht Sengar daraufhin, »erzählen sich die Geschichte, dass Vater Schatten, Scabandari Blutauge, sich aus freiem Willen entschieden hat, zu sterben, um seine Seele für die Reise auf der Grauen Straße zu befreien - eine Reise auf der Suche nach Absolution, weil die Schuld, die er auf der Ebene der Kechra auf sich geladen hatte, so groß war.«
»Also das ist ja mal eine wirklich vorteilhafte Version.«
»Jetzt mangelt es dir an Feinsinn, Udinaas. Diese andere Deutung ist in sich allegorisch, denn in Wirklichkeit verkörpert sie unsere Schuld. An Scabandaris Verbrechen. Wir können die Taten von Vater Schatten nicht ungeschehen machen, und wir waren auch niemals in der Lage, ihm zu widersprechen. Er hat angeführt, die Edur sind gefolgt. Hätten wir uns ihm widersetzen können? Möglicherweise. Aber es ist nicht wahrscheinlich. Von daher lastet auf uns eine Schuld, die nicht gemildert werden kann, es sei denn auf allegorische Weise. Und so klammern wir uns an Legenden von Erlösung.«
Seren Pedac stand auf, ging zu ihrem Rucksack mit
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