SdG 12 - Der Goldene Herrscher
Und Hunger. Wie könnte es anders sein? Ich bin der Eber des Sommers, der Herr der Heerhaufen auf dem Schlachtfeld. Der Chor all derjenigen, die sterben werden … oh, sei froh, dass es nicht hier in der Nähe sein wird …«
»Dessen bin ich mir nicht so sicher.« Ein Schulterzucken.
Der Abtrünnige runzelte die Stirn. »Wie lange hast du dann also vor, hierzubleiben?«, fragte er.
»Nun ja, solange ich kann, ehe ich die Kontrolle verliere - oder ich zu meiner Schlacht gerufen werde. Zu meinem Tod, meine ich. Es sei denn, du entscheidest dich dafür, mich zu verbannen.«
»Die Macht, die das heraufbeschwören könnte, möchte ich lieber nicht herausfordern«, sagte der Abtrünnige.
Ein polterndes Lachen. »Du glaubst, ich würde nicht einfach so gehen?«
»Ich weiß es, Eber des Sommers.«
»Wie wahr.« Der Kriegsgott zögerte und fügte dann hinzu: »Biete mir eine Zuflucht, Abtrünniger, und ich werde dir ein Geschenk machen.«
»Also gut.«
»Kein Feilschen?«
»Nein. Dafür habe ich nicht die Kraft. Was ist das für ein Geschenk?«
»Dieses: Die Feste der Tiere ist erwacht. Ich wurde vertrieben, verstehst du, und da war das Bedürfnis, die Notwendigkeit, die Unumgänglichkeit, dass jemand - ein Erbe - kommen und meinen Platz einnehmen würde - um die Stimmen des Krieges zu übernehmen. Treach war zu jung, zu schwach. Und deshalb sind die Wölfe erwacht. Sie flankieren jetzt den Thron - nein, sie sind der Thron.«
Dem Abtrünnigen verschlug es angesichts dieser Enthüllung fast den Atem. Eine Feste … aufi Neue erwacht! Sein Mund war staubtrocken, als er sagte: »Diese Zuflucht ist dein, Eber des Sommers. Und was deine Spur angeht, die hierherfuhrt, so werde ich alles tun, um sie zu … verwischen. Niemand wird es erfahren. Niemand wird es auch nur vermuten.«
»Dann hemme bitte auch jene, die mich immer noch anrufen. Ihre Schreie hallen durch meinen Schädel - es ist zu viel …«
»Ja, ich weiß. Ich werde tun, was ich kann. Dein Name - rufen sie den Eber des Sommers an?«
»Nicht oft«, erwiderte der Gott. »Fener. Sie rufen Fener an.«
Der Abtrünnige nickte und verbeugte sich.
Er schritt durch die Mauer und befand sich wieder in dem unbenutzten Korridor des Alten Palasts. Aufi Neue erwacht? Beim Abgrund hienieden … kein Wunder, dass das Cedarium chaotisch wirbelt. Wölfe? Kann es sein …
Das ist das reine Chaos! Es ergibt keinen Sinn! Federhexe starrte auf die angeschlagenen Fliesen hinunter, die vor ihr auf dem Fußboden lagen. Die Axt, sowohl an den Erlöser wie an den Verräter der Leeren Feste gebunden. Knöchelchen und die Weiße Krähe umkreisen den Eisthron wie Blätter in einem Strudel. Der Älteste der Feste der Tiere steht am Portal der Feste des Azath. Das Tor des Drachen und Bluttrinker nähern sich dem Beobachter der Leeren Feste - aber nein, das ist doch alles Wahnsinn.
Die Feste der Drachen war so gut wie tot. Jeder wusste das - jeder, der die Fliesen warf, jeder, der von den Zeitaltern träumte. Doch hier wetteiferte sie mit der Leeren Feste um die Vorherrschaft - und was war mit dem Eis? Zeitlos, unveränderlich war dieser Thron jahrtausendelang tot gewesen. Die Weiße Krähe - ja, ich habe es gehört. Irgendein Räuber in den Weiten des Blaurosegebirges erhebt jetzt Anspruch auf diesen Titel. Er wird von Hannan Mosag gejagt - und das sagt mir, dass sich der kühne Anspruch dieses Räubers auf Macht gründet. Ich muss noch einmal mit dem Hexenkönig, diesem verkrümmten, gebrochenen Scheißkerl sprechen.
Sie lehnte sich zurück, wischte sich eiskalten Schweiß von der Stirn. Udinaas hatte damals behauptet, er hätte am Strand unweit des Dorfes eine weiße Krähe gesehen - das schien jetzt schon Jahrhunderte her zu sein. Eine weiße Krähe in der Abenddämmerung. Und sie hatte den Wyrm angerufen, war so begierig auf Macht gewesen, dass sie jegliche Vorsicht beiseitegeschoben hatte. Udinaas - er hatte ihr so viel geraubt. Sie träumte von dem Tag, an dem er endlich gefangen genommen werden würde - lebendig und hilflos in Ketten …
Dieser Narr hat geglaubt, er würde mich lieben - ich hätte das ausnutzen können. Ich hätte es ausnutzen sollen. Hätte meine eigenen Ketten um seine Knöchel und Handgelenke zuschnappen lassen sollen, ihn herunterziehen sollen. Zusammen hätten wir Rhulad vernichten können, lange bevor er zu seiner Macht gekommen wäre. Sie starrte auf die Fliesen hinunter, auf diejenigen, die mit der bemalten Fläche nach oben lagen - von den
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