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SdG 12 - Der Goldene Herrscher

SdG 12 - Der Goldene Herrscher

Titel: SdG 12 - Der Goldene Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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offensichtlichste und immer noch vorhandene Bauwerk - den Azath - hinweisen; dieser Vortrag wird auf einen anderen Tag warten müssen. Vielmehr geht es um das, was man in einem Gebiet gefunden hat, das beinahe identisch mit dem Gelände ist, welches das heutige Letheras einnimmt: Fundamente, Plätze oder Hallen, ausgestaltete Brunnen, Entwässerungsgräben, sowie - ja, wahrhaftig - eine Art Friedhof oder Leichenhalle, und- hört jetzt genau zu - nichts davon war von Menschenhand erbaut. Oder von den Jaghut. Oder den Tarthenal.
    Aber wie hat es in diesem unbekannten Gebäudekomplex genau ausgesehen? Nun, zum einen war er in sich geschlossen, von Mauern umgeben und auf mehreren Ebenen vollkommen überdacht - selbst die Plätze, Straßen und Gassen. Als Festung war er praktisch uneinnehmbar. Unter den kompliziert gepflasterten Böden und Straßen befand sich eine zweite, noch besser zu verteidigende Stadt, deren Korridore und Tunnel nun einen wesentlichen Teil unseres Abwassersystems bilden.
    Kurz gesagt: Letheras, die Kolonie des Ersten Imperiums, wurde auf den Ruinen einer älteren Stadt gegründet - einer Stadt, deren Grundriss die Jaghut-Türme und den Azath außer Acht zu lassen scheint, was daraufhindeutet, dass sie älter ist als diese Bauwerke.
    Selbst Keden Qan, der erste Ingenieur, war nicht in der Lage oder willens, auch nur zu versuchen herauszufinden, wer diese frühen Baumeister waren. Es wurden praktisch keine Artefakte gefunden - keine Tonscherben, keine Skulpturen, keine Überreste von Metallbearbeitung. Noch eine letzte interessante Einzelheit: Es hat den Anschein, als hätten die Bewohner in der letzten Phase ihres Daseins hektisch Veränderungen an ihrer Stadt vorgenommen. Qans Untersuchungen dieser Bemühungen haben ihn zu dem Schluss geführt, dass eine katastrophale Veränderung des Klimas stattgefunden haben muss, denn die genannten Bemühungen weisen auf einen verzweifelten Versuch hin, Dämmstoffe anzubringen.
    Wahrscheinlich sind diese Bemühungen fehlgeschlagen …
    Ihr innerer Monolog endete abrupt, als sie ein leises, schleifendes Geräusch hörte. Jemand kam. Den Kopf zu heben war mühselig, aber Janath Anar schaffte es genau in dem Augenblick, als sich die schwere Tür des Raums öffnete und das Licht einer Laterne hereinströmte. Es war schwach und matt, aber es blendete sie trotzdem.
    Tanal Yathvanar trat in ihr Blickfeld - es würde niemand anderer kommen, das wusste sie -, und einen Moment später sagte er: »Ich hoffe, Ihr habt Euch noch nicht selbst in den Wahnsinn getrieben.«
    Sie verzog die aufgesprungenen, blasenübersäten Lippen zu einem Lächeln und sagte mit krächzender Stimme: »Vorlesungen. Ich habe das Semester zur Hälfte durch. Frühe Geschichte. Wahnsinnig? Oh, ohne Frage ja.«
    Sie hörte, wie er näherkam. »Ich war zu lange nicht mehr hier - Ihr leidet. Das war nachlässig von mir.«
    »Nachlässig ist es, mich am Leben zu lassen, du armseliger kleiner Wicht«, sagte sie.
    »Oh, vielleicht habe ich das verdient. Kommt, Ihr müsst trinken.«
    »Und was ist, wenn ich mich weigere?«
    »Dann ist Euer Tod unvermeidlich, und Ihr seid besiegt. Durch mich. Seid Ihr Euch sicher, dass Ihr das wollt, Gelehrte?«
    »Du drängst mich zu dickköpfigem Widerstand. Ich verstehe. Der Sadist braucht sein Opfer schließlich lebendig. Und zwar so lange, wie es nur irgendwie möglich ist.«
    »An Austrocknung zu sterben ist ein höchst unangenehmer Tod, Janath Anar.«
    Er setzte den Schnabel eines Wasserschlauchs an ihre Lippen. Sie trank.
    »Nicht so schnell«, sagte Tanal und trat einen Schritt zurück. »Euch wird nur übel werden. Was, wie ich sehe, nicht das erste Mal wäre.«
    »Wenn man erstmal Maden aus den eigenen Exkrementen kriechen sieht, Yathvanar … Das nächste Mal«, fügte sie hinzu, »nimmst du deine verdammte Kerze mit!«
    »Wenn ich das tue«, erwiderte er, »werdet Ihr nichts mehr sehen können.«
    »Und - spielt das eine Rolle?«
    Er trat wieder dicht an sie heran und ließ ihr noch einmal ein wenig Wasser in den Mund rinnen.
    Dann fing er an, sie abzuspritzen. Überall dort, wo Magensäfte die ausgetrocknete Haut angegriffen hatten, waren offene Wunden entstanden, und außerdem hatte sie an ihren Fesseln gezerrt und versucht, ihre Hände aus den Handschellen zu ziehen, wie er sah. »Ihr seht viel mitgenommener aus«, sagte er, während er ihre Wunden mit Salbe bestrich. »Ihr könnt Eure Hände da nicht durchkriegen, Janath …«
    »Panik kümmert sich herzlich

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