SdG 12 - Der Goldene Herrscher
ist das nicht so unangenehm, wie es sein könnte.« Er warf Venitt einen Blick zu. »Hast du eine Ahnung, wann Hivanar mit all dem fertig sein wird?«
»Genau gesagt, geht es nicht um eine Stützmauer - obwohl die auch gebraucht wird.« Er machte eine Pause, rieb sich das Gesicht. »Es ist eher ein wissenschaftliches Unterfangen. Mein Herr lässt Dämme weiter in den Fluss hineinbauen und dann das Land entwässern und die Gräben leerpumpen, so dass die Arbeiter sich durch die Schlammschicht graben können.«
Bagg runzelte die Stirn. »Warum? Hat er vor, einen Wellenbrecher oder Pier zu bauen?«
»Nein. Es geht darum … Artefakte zu bergen.«
Venitt sah, wie der alte Mann den Blick wieder auf das Ding vor ihnen richtete - und wie seine wässrigen Augen sich verengten. »Ich hätte nichts dagegen, mir diese Artefakte mal anzusehen.«
»Ein paar von deinen Vorarbeitern und Ingenieuren haben genau das getan … aber keiner von ihnen war in der Lage, herauszukriegen, wozu sie dienen sollen.« Und ja, es besteht ein Zusammenhang mit dem Ding hier. Tatsächlich ist eines der Stücke eine genaue Nachbildung von dem hier, nur in einem viel, viel kleineren Maßstab. »Wenn du ihm die Botschaft überbringst, kannst du ihn fragen, ob du dir ansehen darfst, was er gefunden hat. Ich bin mir sicher, dass er deine Einschätzung gern hören würde.«
»Vielleicht«, sagte der alte Mann abgelenkt.
»Nun«, sagte Venitt, »ich sollte jetzt besser gehen.«
»Möge der Abtrünnige dich unbeachtet lassen, Venitt Sathad.«
»Und dich auch, Bagg.«
»Schön wär’s …«
Die letzte Bemerkung war nur geflüstert, und während Venitt auf dem Weg nach draußen quer über den Hof ging, warf er noch einmal einen Blick zurück zu Bagg. Eine absonderliche Bemerkung.
Andererseits neigten alte Männer bekanntlich zu Verschrobenheit.
Atri-Preda Bivatt saß ab und begann, zwischen den Trümmern herumzugehen. Geier und Krähen kraxelten von einer aufgeblähten Leiche zur nächsten, als würde ein so reichliches Mahl sie verwirren. Trotz der Bemühungen der Aasfresser war es für sie offensichtlich, dass das, was hier stattgefunden hatte, ungewöhnlich war - oder, genauer: wie es stattgefunden hatte. Diese unglücklichen Siedler, Soldaten und Treiber waren durch riesige Klingen sowie mächtige Fänge und Krallen getötet worden. Und wer auch immer dafür verantwortlich war, hatte schon früher zugeschlagen - die Kavallerie-Einheit, die Rotmaske von Drenes Nordtor aus verfolgt hatte, hatte das gleiche Schicksal erlitten.
Ein paar Schritte hinter ihr befand sich Brohl Handar, der Aufseher aus dem Volk der Edur. »Es gibt Dämonen«, sagte er, »die so etwas tun können. Etwa diejenigen, die von den K’risnan während des Krieges beschworen wurden. Allerdings benutzen sie nur selten ihre Zähne und Klauen.«
Bivatt blieb neben einem erloschenen Kochfeuer stehen. Sie deutete auf einen Streifen Erde neben der Feuerstelle. »Hinterlassen Eure Dämonen solche Spuren?«
Der Edur-Krieger trat zu ihr. »Nein«, sagte er nach kurzem Zögern. »Die sehen aus, als würden sie von einem übergroßen Laufvogel stammen.«
»Übergroß?« Sie blickte ihn kurz an und ging dann weiter.
Ihre Soldaten taten ziemlich das Gleiche, sie untersuchten schweigend das verwüstete Lager. Vorreiter umkreisten das Gebiet, hielten sich dabei auf den Hügelgraten.
Die Rodara- und Myrid-Herden waren fortgetrieben worden, die nach Osten führenden Spuren deutlich zu erkennen. Die Rodara-Herde war die erste gewesen, und die Myrids waren ihr einfach gefolgt. Wenn die Letherii schnell ritten, war es durchaus möglich, dass sie die Myrids einholen würden. Bivatt vermutete, dass die Räuber nicht zurückbleiben würden, um sich um die langsameren Tiere zu kümmern.
»Nun, Atri-Preda?«, erklang Brohls Stimme hinter ihr. »Nehmen wir die Verfolgung auf?«
Sie drehte sich nicht um. »Nein.«
»Der Repräsentant wird über Eure Entscheidung überaus ungehalten sein.«
»Und das beunruhigt Euch?«
»Nicht im Geringsten.«
Sie sagte nichts. Der Aufseher wurde immer selbstsicherer. Selbstsicherer oder weniger vorsichtig - im Tonfall des Tiste Edur hatte Verachtung mitgeschwungen. Natürlich war allein die Tatsache, dass er beschlossen hatte, an dieser Expedition teilzunehmen, Beweis genug für seine Unabhängigkeit. Trotzdem tat ihr der Krieger beinahe leid.
»Wenn dieser Rotmaske irgendwelche Dämonen beschwört«, fuhr Brohl Handar fort, »sollten wir am besten
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