SEAL Team 12: Gefährliche Suche (German Edition)
Chief könnte von ihr verlangen, die Kinder zurückzulassen. Selbst im Zwielicht des Urwalds bemerkte sie, wie er ihr einen finsteren Blick über die Schulter zuwarf.
Herzloser Kerl. Kümmerte es ihn denn gar nicht, dass sie dreißig Pfund zusätzlich trug? Der Schlamm saugte regelrecht an ihren Stiefeln und fühlte sich an wie Klebstoff. Die Luft war dermaßen feucht, dass sie kaum genug Sauerstoff in ihre schmerzenden Lungen bekam.
»Wie geht es Ihnen, Ma’am?«, erkundigte sich einer der neben ihr laufenden SEAL s. Obwohl er schwer bewaffnet und mit Marschgepäck beladen war, schien er nicht außer Atem zu geraten. Im Unterschied zu den übrigen vier SEAL s trug er kein Nachtsichtgerät, sondern spähte stattdessen durch das Infrarotzielfernrohr seines Gewehrs.
»Soll ich ihn für Sie tragen?«, bot er ihr freundlich an.
»Nein, danke«, antwortete sie und quälte sich weiter. »Miguel hat Angst vor Fremden.«
Und er tat gut daran. Seine Geschichte war anfangs vollkommen unklar gewesen und hatte sich erst gegen Ende des vergangenen Sommers geklärt – sechs Monate nachdem er von Pater Benedict in der Obhut älterer Straßenkinder entdeckt worden war. Für sein Alter klein, mit großen braunen Augen, aus denen unschuldige Verwirrung sprach, redete Miguel nur im Flüsterton mit seinen Kameraden. Durch ihre unermüdliche Hingabe hatte Jordan es inzwischen geschafft, ihm wenigstens ein Kichern zu entlocken. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war ein dahergelaufener Fremder, der ihn unsanft herumschubste und ihn damit in sein Schneckenhaus zurücktrieb.
Den Kleinen im vergangenen Sommer in der Mission zurückzulassen hatte ihr fast das Herz gebrochen. Miguel war zu ihrer zweiten Chance geworden, Liebe zu geben und geliebt zu werden. Dank Venezuelas neuer Regierung hatte sie die Adoption sofort in die Wege leiten können. Doch nun, da die Gemäßigten sich mühsam zu halten versuchten, fürchtete sie, dass die Gesetze revidiert werden würden. Damit hätte der schmerzliche Prozess der Recherchen zu Hause und das Zusammentragen aller erforderlichen Dokumente für Miguels Unterlagen vorzeitig ein Ende.
Sie musste diese SEAL s glauben lassen, sie hätte Miguel längst adoptiert, auch wenn sie in Wahrheit noch darauf wartete, dass das Gericht in Ayacucho es bestätigte. Jordan betete, der Priester und die Nonne würden ihr die Notlüge nachsehen, und eilte an die Spitze des Trupps. Ein Farnwedel klatschte ihr ins Gesicht, dann stolperte sie über eine Wurzel. »Verzeihung«, rief sie, damit der Senior Chief sein Marschtempo drosselte.
Als er ihr sein maskiertes Gesicht zuwandte, musste sie an Darth Vader denken – samt böser Aura und allem. »Was ist jetzt wieder?«, erkundigte er sich barsch.
»Ich muss Ihnen etwas sagen«, keuchte sie. »Ich habe dieses Kind hier, Miguel, adoptiert«, log sie. »Er ist mein Sohn, und ich werde ihn nicht an der Landezone zurücklassen. Er fliegt mit mir nach Hause.«
»Zeigen Sie mir die Adoptionspapiere«, verlangte er.
»Die liegen bei der zuständigen Behörde in Ayacucho. Ich muss sie dort abholen«, teilte sie ihm die halbe Wahrheit mit.
Der SEAL schenkte ihr keine Beachtung. Stattdessen schaute er auf den Kompass seiner Uhr, passte ihre Marschrichtung an und lief weiter.
Jordan überliefen vor Angst kalte Schauer. »Ich lasse ihn nicht im Stich«, rief sie, während sie hinter dem Mann herhetzte. »Und hier geht es nicht nach Ayacucho. Ich muss Richtung Osten.«
»Wir besprechen Ihre Optionen, wenn wir die LZ erreicht haben.«
Er war unerbittlich. »Was stimmt eigentlich nicht mit Ihnen?«, warf sie sich wie eine Löwin für ihr Kind ins Zeug. »Sind Sie unter Wölfen aufgewachsen? Hatten Sie keine Mutter?«
Er drehte sich so plötzlich zu ihr um, dass die anderen gegen ihn prallten.
»Muss ich Sie erst fesseln und knebeln?«, drohte er und riss Miguel damit aus dem Schlaf. Der Junge gab ein ängstliches Wimmern von sich.
»Ruhig, Baby«, versuchte Jordan sofort, ihn zu beruhigen. »Alles ist gut.«
Doch vier Tage lang eingesperrt gewesen zu sein und nun mitten im Urwald so grob geweckt und von einem Wildfremden mit einer Maschinenpistole in Angst und Schrecken versetzt zu werden, war zu viel für Miguel. Sein Weinen wurde lauter, übertönte die Geräusche aus dem Dickicht des Dschungels und hallte unter dem Laubdach der Bäume wider.
Senior Chief McGuire erstarrte. »Bringen Sie ihn zum Schweigen!«, befahl er mit heiserer Stimme.
»Sie haben ihm
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