Sean King 02 - Mit jedem Schlag der Stunde: Roman
Interesse.
King bemerkte, dass die Oxley-Sprösslinge ins Haus zurückgekehrt waren, als sie ihre Mutter gesehen hatten. Während Lulu sich ihrer annahm, entschuldigte sich King, ging zur Bar, ließ sich zwei Gläser Wein geben und schlenderte zur hinteren Veranda, um mit Savannah zu reden, solange sie dort noch allein blieb.
Die junge Frau saß auf der Couch und blickte in das Feuer, das an einer Seite des Zimmers in einem Kamin loderte.
»Das war ein langer Tag für dich, Savannah«, meinte King mit gedämpfter Stimme.
Sie erschrak und hob den Blick, lächelte aber, als sie sah, wer sie angesprochen hatte. King reichte ihr ein Glas und nahm neben ihr Platz. »Ein Glas Château Palmer kann für das Gemüt wahre Wunder wirken. Ein köstlicher französischer Wein.«
»Palmer klingt nicht nach Frankreich«, sagte Savannah und betrachtete das Glas, als könnte sie Bilder darin sehen.
»Palmer war englischer General unter Wellington. Er kam achtzehnhundertvierzehn mit seinen Truppen nach Bordeaux und hat sich dort niedergelassen. Er erwarb einen Wohnsitz, der schließlich als Château Palmer bekannt wurde, und gründete eine Winzerei. Für mich ein Beweis, dass die Traube, so wie der Schreibstift, stärker ist als das Schwert.«
»Ich verstehe kaum etwas von Wein«, gab Savannah zu. »Ich bin mehr der Typ, der Jack Daniels und Cola trinkt.«
»Mit Jack und Cola kann man nie was verkehrt machen, aber falls du an Wein interessiert bist, berate ich dich gern, obwohl du dir ja mühelos hier im Haus Kenntnisse aneignen könntest. Im Weinkeller deiner Eltern liegen zehntausend Flaschen. Als ich das gesehen habe, bin ich vor Neid fast in Ohnmacht gefallen.« King trank ein Schlückchen und beobachtete, wie Savannah ins Kaminfeuer starrte. »Mir ist aufgefallen, du hast dich mit dem Oxley-Nachwuchs befasst.«
»Es sind nette Kinder«, sagte sie, während sie ihre Perlenkette befingerte. »Die Kleine, Mary Margret, hat geflennt, als sie eintraf. Die Ärmste… Sie vermisst ihren Vati sehr. Ich habe mich um die Kinder gekümmert, weil Mutter und Mrs Oxley sich aussprechen wollten.«
»Anscheinend haben sie alles geklärt.«
»Ich habe wirklich geglaubt, Junior wäre der Täter.« Mit einem Mal schimmerten Tränen in Savannahs Augen.
»Das dachte ich anfangs auch.«
»Ich war dir kürzlich keine große Hilfe.«
»Dir hat noch der Schreck in den Gliedern gesteckt. Wenn du irgendwann zu einer Unterredung imstande bist, stehe ich dir zur Verfügung.«
Savannah hob den Kopf und ergriff seine Hand. »Wieso bist du nicht verheiratet?«
Zuerst dachte King, sie flirte mit ihm, erkannte dann aber, dass sie die Frage im Ernst stellte.
»Ich war mal verheiratet«, sagte er, »aber es ist schief gegangen.«
»Ich glaube, es ist das Schicksal mancher Menschen, allein zu sein.«
»Für so jemanden hältst du dich doch nicht, oder?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich glaube, mein Vater war so ein Mensch.«
Verdutzt lehnte King sich zurück. »Wie kommst du darauf?«
Ehe Savannah die Frage beantworten konnte, erklang Remmys Stimme. »Es gibt Leute, Savannah, die gern noch mit dir sprechen möchten.«
Savannah und King drehten sich um. Remmy stand auf der Schwelle und musterte sie.
Gehorsam schwang Savannah sich von der Couch. »Man sieht sich, Sean.«
Einige Augenblicke lang schaute King Mutter und Tochter nach, bevor er im Salon wieder zu Michelle stieß. Harry hatte Remmy und Savannah abgefangen, als sie ins Haus zurückkehrten, und unterhielt sich jetzt in einer Ecke mit ihnen.
Quetsch sie aus, so gut du kannst, Harry , dachte King, denn ich muss die Fahne streichen.
»Interessante Neuigkeiten?«, fragte Michelle.
»Savannah wird von Sorgen zerfressen. Sie weiß etwas, kriegt’s aber nicht über die Lippen.«
»Lass deinen Charme spielen, Sean. Sie ist ganz scharf auf dich.«
»Glaubst du?«
»Also wirklich, Männer können in solchen Angelegenheiten dermaßen blind sein…«
»Und wie lief es bei dir?«
»Ich bin zu Eddies nächster Reenactment-Aufführung eingeladen. Ich fahre mit Chip hin.«
King verschränkte die Arme und betrachtete Michelle. »So?«
Trotzig erwiderte sie seinen Blick. »Ja. Warum?«
»In solchen Angelegenheiten können anscheinend auch Frauen dermaßen blind sein…«
»Hör auf, Sean, er ist verheiratet.«
»Eben.«
KAPITEL 52
Michelle fuhr mit Chip Bailey an den Stadtrand von Middleton in Virginia. Der Morgen war klar, der Himmel strahlend blau, und ein mildes Lüftchen
Weitere Kostenlose Bücher