Sean King 02 - Mit jedem Schlag der Stunde: Roman
darunter gelitten.«
»Ja«, bestätigte Eddie, »das kann man wohl sagen.«
»Und mir scheint, dass Sie und Savannah nicht viel gemeinsam haben…«
»Sie ist auf ihre Weise auch ein gutes Mädchen, und sie hat schwer was auf dem Kasten, aber irgendwie weiß sie nichts mit sich anzufangen. Aber ich kann ihr keinen Vorwurf machen – sehen Sie mich an.«
»Ich glaube, Sie haben das Leben im Griff.«
Eddie schaute Michelle von der Seite an. »Von einer Frau, die Olympionikin und Secret-Service-Agentin war und heute erfolgreiche Privatdetektivin, ist das ein großes Lob. Gefällt Ihnen die Zusammenarbeit mit Sean?«
»Sehr. Ich könnte mir keinen besseren Geschäftspartner und Mentor wünschen.«
»Klar, er ist ein gewiefter Kerl. Aber er kann von Glück reden, Sie zu haben.« Verlegen blickte Michelle zum Seitenfenster hinaus. »Nicht dass Sie mich für zudringlich halten, Michelle. Aber Sie arbeiten offensichtlich ausgezeichnet zusammen. Es muss schön sein, unter solchen Voraussetzungen tätig sein zu dürfen. Vermutlich bin ich bloß neidisch.«
Michelle sah ihn an. »Wenn Sie unzufrieden sind, können Sie etwas ändern, Eddie.«
»In mancher Hinsicht bin ich unzufrieden«, sagte er. »Aber ich bezweifle, dass ich je den Mut aufbringe, etwas Entscheidendes zu ändern. Es geht nicht allein um Dorothea. Sie lebt ihr Leben, ich lebe meins. Viele Ehen sind so, und ich komme damit zurecht. Aber ich muss auch an meine Mutter denken. Stellen Sie sich vor, ich würde fortziehen. Was soll dann aus ihr werden?«
»Auf mich macht sie den Eindruck, selbst auf sich aufpassen zu können.«
»Da könnten Sie eine Überraschung erleben, vor allem zurzeit, da jeder mit dem Finger auf sie zeigt.«
»Sean und ich wollen uns noch mal mit ihr zusammensetzen und die ganze Angelegenheit durchsprechen. Offenkundig ist es ihr ja gelungen, Lulu für sich einzunehmen. Wenn Lulu jetzt davon überzeugt ist, dass sie mit Juniors Tod nichts zu tun hat, werden es mit der Zeit auch die anderen glauben.«
»Das Problem umfasst nicht nur Juniors Tod, sondern auch den Tod meines Vaters. Es ist kein Geheimnis, dass es in ihrer Ehe bisweilen hoch herging, deshalb glauben manche Leute, sie hätte ihn abgemurkst. Ich bin mir nicht sicher, ob sie damit leben kann.«
»Sie könnten ja mal versuchen, von ihr zu erfahren, was aus ihrem Wandschrank entwendet wurde, bevor wir mit ihr reden.«
Eddie setzte eine ratlose Miene auf. »Ich dachte, es waren ihr Ehering, Bargeld und so was.«
»Nein, es muss mehr gewesen sein. Irgendetwas war dabei, das sie so dringend zurückhaben wollte, dass sie Junior für die Herausgabe eine ganze Stange Geld bot.«
Eddies Fäuste packten das Lenkrad fester. »Verdammt, was kann das sein?«
»Ich hoffe, Sie finden es heraus. Wenn sie es überhaupt jemandem verrät, dann vermutlich Ihnen.«
»Ich versuch’s, Michelle. Ich werde mir alle Mühe geben.«
Eddie fuhr Michelle heim und begleitete sie zur Haustür.
»Wenn Sie bei meiner Mutter sind und mit ihr reden, schauen Sie doch anschließend bei mir rein, dann zeig ich Ihnen und Sean ein paar meiner Bilder.«
»Gern, Eddie. Und vielen Dank für den wundervollen Abend.«
Er machte eine tiefe Verbeugung. Als er sich aufrichtete, reichte er ihr den mit einem Federbusch verzierten Hut. »Für Sie, Milady«, sagte er. »So schön war es in den letzten zwanzig Jahren nicht mehr.«
Für einen langen Moment standen beide verlegen da; dann streckte Eddie die Hand aus, und Michelle ergriff sie. »Gute Nacht«, sagte er.
»Gute Nacht, Eddie.«
Als er abfuhr – hinter dem Kleinbus den Pferdeanhänger –, schaute Michelle ihm nach und drehte den Kavalleristen-Hut in den Händen.
Bisher hatte sie nur selten an eine langfristige Beziehung zu einem Mann gedacht. Erst hatte sie das Ziel gehabt, Olympionikin zu werden, dann Polizistin; im darauf folgenden Jahrzehnt hatte sie sich durch die Härten des Daseins einer Secret-Service-Agentin geackert. Damit hatte sie sich ihre Erwartungen, ihre Karriereziele erfüllt, hatte die Herausforderungen entschlossen in Angriff genommen und gemeistert. Doch jetzt, da sie zweiunddreißig war, sich in einer kleinen Ortschaft niedergelassen und eine neue Laufbahn begonnen hatte, beschlichen sie Gedanken daran, sich außer der Arbeit, dem beharrlichen Überwinden der Hürden ihrer dritten Karriere, noch anderen Lebenszielen zu widmen. Mutter zu werden, hatte sie sich noch nie konkret gewünscht – allerdings wusste sie keinen
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