Sean King 02 - Mit jedem Schlag der Stunde: Roman
ihn, doch sein Lächeln verriet ihn. »Ich sage mir keineswegs nach, alles zu wissen . Aber ich hege diesen und jenen Verdacht, über den ich bisher nicht geredet habe.«
»Zum Beispiel, Kollege ?«
»Zum Beispiel, dass ich einen wundervollen Abend mit zwei Flaschen hervorragenden Weins und einer attraktiven jungen Frau verbracht habe, ohne über etwas anderes als Mord und Totschlag zu sprechen.«
»Du weichst mir aus. Und dass du an erster Stelle den Wein erwähnst und nicht mich, spricht ja wohl Bände.«
»Das liegt nur daran, dass ich die beiden Flaschen Wein länger kannte als dich.«
»Vielen Dank, aber du weichst trotzdem aus.«
Der SUV rammte sie mit solcher Wucht von hinten, dass beide kopfüber durch die Windschutzscheibe geflogen wären, wären sie nicht angeschnallt gewesen.
»Verdammt!«, brüllte King und starrte in den Innenspiegel. »Wo kommt der auf einmal her?« Kaum hatte er das letzte Wort hervorgestoßen, rammte das Fahrzeug sie ein zweites Mal. King kurbelte wild am Lenkrad und versuchte, das Lexus-Cabrio auf der gewundenen Landstraße zu halten.
Michelle schüttelte die Pumps ab und setzte die bloßen Füße auf den Fahrzeugboden, um sich besser abstemmen zu können. Sie griff in die Handtasche, holte die Waffe heraus, lud durch und entsicherte – alles in einer einzigen, fließenden Bewegung.
»Kannst du den Fahrer erkennen?«, fragte King.
»Nein, die Scheinwerfer blenden. Aber es muss der Mörder sein.«
King holte das Handy hervor. »Diesmal schnappen wir uns den Mistkerl.«
»Achtung«, rief Michelle, »da kommt er wieder!«
Der nächste Anprall des viel schwereren Fahrzeugs hob beinahe das Heck des Lexus von der Straße. King wurde das Handy aus den Fingern geprellt. Es knallte gegen die Windschutzscheibe, flog nach hinten, prallte auf die Motorhaube des Verfolgers, fiel auf die Straße und zerbrach.
Erneut kämpfte King mit dem Lenkrad. Es gelang ihm, den schlingernden Lexus auf der Straße zu halten, als beide Wagen wieder auf Abstand gingen. Kings Auto war gut eine Tonne leichter als der SUV. Dafür war das Lexus-Cabrio bedeutend schnittiger als der bullige Verfolger, und es hatte 300 PS unter der Haube. Als sie einen geraden Streckenabschnitt der Landstraße erreichten, setzte King auf diese Vorteile und trat aufs Gaspedal, sodass der Lexus vorwärts schoss und den anderen Wagen weit hinter sich ließ.
Michelle öffnete ihren Sicherheitsgurt.
»He, was tust du?«, rief King.
»Auf diesen Serpentinen wirst du ihn nicht abhängen, und solange der Sicherheitsgurt mich behindert, kann ich nicht richtig zielen. Sieh zu, dass du vor ihm bleibst.«
»Ruf erst die Polizei an!«
»Geht nicht. Ich hab mein Handy nicht dabei. Die Handtasche ist zu klein für Handy und Pistole.«
King warf ihr einen fassungslosen Blick zu. »Du hast dein Handy nicht eingesteckt, aber die Pistole?«
»Ich glaube, meine Prioritäten sind ganz sinnvoll. Was sollte ich jetzt mit dem Handy? Den Kerl zu Tode telefonieren?«
Sie drehte sich im Sitz um, beugte sich übers Polster und senkte die Ellbogen auf die Kopfstütze der Rückbank. »Sieh zu, dass du vor ihm bleibst«, wiederholte sie.
»Ja, zum Teufel. Und du pass auf, dass du dir nicht das Genick brichst«, schnauzte King.
In den Kurven holte der Verfolger von neuem auf, um einen weiteren Rammstoß zu vollführen, doch bevor es dazu kommen konnte, wich King auf die Gegenfahrbahn aus, riss das Steuer sofort wieder herum und schoss über das kiesige Bankett hinweg, ehe er wieder über den harten Asphalt jagte. Er schaltete herunter und nahm die nächste Haarnadelkurve mit achtzig. Plötzlich spürte er, dass die Reifen auf der rechten Wagenseite die Bodenhaftung verloren, verlagerte augenblicklich seine neunzig Kilo auf diese Seite, packte gleichzeitig Michelle an der Hüfte und schubste sie seitwärts gegen die Beifahrertür.
»Das ist keine sexuelle Belästigung!«, rief er über den Motorenlärm hinweg. »Ich brauche dich als Gegengewicht!«
Er verringerte die Geschwindigkeit und stieß einen erleichterten Seufzer aus, als alle vier Reifen wieder über festen Boden surrten.
Nochmals gelangten sie auf einen geraden Streckenabschnitt, von dem King wusste, dass er mehrere hundert Meter lang war, bevor er in die nächste Kehre bog. Er drückte das Gaspedal so fest durch, dass er glaubte, sein Mokassin müsste jeden Moment den Straßenbelag streifen. Als die Tachonadel immer höher kletterte, huschten die Bäume mit solch
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