Sean King 04 - Bis zum letzten Atemzug
Sie schwenkte den ausgestreckten Arm durch den Raum. »Was immer das alles ist, er wird schon einen guten Grund dafür haben. Und jetzt rauf mit dir, junger Mann!«
Sie packte Gabriel am Arm, zerrte ihn aus dem Raum und schloss hinter sich ab. Gabriel warf einen letzten Blick zurück; dann rannte er die Stufen zu seinem Schlafzimmer hinauf, angetrieben von einem Schlag auf den Hintern von seiner offenbar immer noch wütenden Mutter.
54.
J ane Cox hatte das Überprüfen des Postfachs nicht ihrem Stab anvertraut. Dafür war es zu wichtig.
Das Problem war nur, dass man als First Lady kaum irgendwo hingehen konnte, ohne ein großes Gefolge im Schlepptau zu haben. Tatsächlich war das sogar gesetzlich vorgeschrieben.
Jane ging von der Präsidentenwohnung nach unten. Sie hatte zwei Stunden frei und informierte ihren Stabschef, sie wolle ein wenig durch die Stadt fahren. Seit sie den Brief bekommen hatte, hatte sie das jeden Tag getan. Allerdings hatte sie darauf bestanden, nicht in Kolonne zu fahren. Nur eine Limousine und ein Wagen des Secret Service.
Sie nahm jedoch nicht den »Cadillac One«, den mehr als fünf Tonnen schweren, nahezu unzerstörbaren Wagen, der für den Präsidenten reserviert war. Jane hasste »das Biest«, wie die Secret-Service-Agenten das Fahrzeug nannten. Die Fenster waren fast so dick wie ein Telefonbuch, und man konnte nicht das leiseste Geräusch von draußen hören. In diesem Wagen hatte Jane stets das Gefühl zu ersticken.
Drei Agenten saßen mit ihr in der Limousine, sechs weitere folgten ihr in einem SUV. Die Agenten waren nicht gerade glücklich über dieses Arrangement, trösteten sich aber damit, dass niemand wissen konnte, dass die First Lady im Wagen saß. Schließlich kamen ständig Limousinen aus dem Weißen Haus, und ihrem öffentlichen Terminplan zufolge unternahm die First Lady heute keine Fahrt. Trotzdem blieben die Agenten wachsam, während sie durch die Straßen von D. C. rollten.
Auf Janes Anweisung hielt die Limousine gegenüber einer unscheinbaren Filiale von Mail Boxes Etc. im Südwesten der Stadt. Jane konnte die Schließfächer durch die große Schaufensterscheibe hindurch sehen. Sie wickelte sich ein Tuch um den Kopf und zog einen Hut darüber. Ihre Augen verbarg sie hinter einer Sonnenbrille. Schließlich schlug sie auch noch den Mantelkragen hoch.
»Ma'am, bitte ...«, sagte der Chef ihrer Sicherheitsabteilung. »Wir haben das Geschäft noch nicht überprüft.«
»Sie haben das Geschäft nie überprüft, seit ich hierherkomme«, erwiderte Jane ungerührt. »Und was ist passiert? Nichts.«
»Aber wenn doch etwas passiert, Ma'am ...« Die Stimme des Mannes verhallte. Es war klar, worauf er hinauswollte. Sollte doch etwas geschehen, würde man ihn zur Rechenschaft ziehen. Auch die anderen Agenten blickten nervös drein. Keiner von ihnen wollte seine Karriere wegen so etwas aufs Spiel setzen.
»Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich persönlich die volle Verantwortung übernehme«, erklärte Jane.
»Aber es könnte eine Falle sein.«
»Ich übernehme die volle Verantwortung.«
»Aber es ist mein Job, Sie zu beschützen.«
»Und es ist mein Job, Entscheidungen für meine Familie zu treffen. Sie können gerne vom Wagen aus alles beobachten, aber Sie werden ihn auf keinen Fall verlassen.«
»Ma'am, seien Sie versichert, dass ich den Wagen verlassen werde, sollten Sie auf irgendeine Weise bedroht werden.«
»Na schön, damit kann ich leben.«
Kaum war Jane aus den Wagen gestiegen, knurrte der Agent: »Scheiße.«
Alle Augen in den beiden Fahrzeugen, von denen acht mit hochwertigen Ferngläsern bewaffnet waren, klebten förmlich am Glas und beobachteten, wie die First Lady die Straße überquerte und den Laden betrat. Ohne dass Jane Cox etwas davon gewusst hätte, befanden sich drei Agenten bereits im Geschäft, alle als unscheinbare Kunden verkleidet; zwei weitere Agenten bewachten den Hinterausgang. Der Secret Service war launische Mitglieder der Präsidentenfamilie gewöhnt.
Jane ging direkt zu dem Postfach und öffnete es mit ihrem Schlüssel, fand aber nichts. Nach weniger als einer Minute saß sie wieder im Wagen.
»Fahren Sie«, befahl sie und ließ sich wieder ins Leder sinken.
»Ma'am«, sagte der leitende Agent. »Können wir Ihnen hier irgendwie helfen?«
»Mir kann niemand helfen«, erwiderte Jane trotzig, und für einen Moment drohte ihre Stimme zu brechen.
Schweigend fuhren sie zum Weißen Haus zurück.
***
In dem Moment, als die First
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