Sean King 04 - Bis zum letzten Atemzug
ermordet, nachdem sie meinen Dad offensichtlich betrogen hatte. Und die Frau, die sie getötet hat, hätte beinahe auch mich umgebracht. Mein Dad hat mir das Leben gerettet, aber da gibt es auch Probleme, okay? Ich habe eine Zeit lang geglaubt, mein eigener Vater sei der Täter. Deshalb entschuldige bitte, wenn ich da im Augenblick einen gewissen Konflikt sehe.«
»Tut mir leid, Michelle. Du hast recht.«
Michelle legte die Aktenmappe beiseite und schlug die Hände vors Gesicht. »Nein, vielleicht hast du recht. Aber ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich weiß es einfach nicht.«
»Vielleicht solltest du damit anfangen, dass du mit dem Mann redest. Unter vier Augen.«
»Das hört sich furchtbar an.«
»Ich weiß. Du musst es ja auch nicht tun.«
»Aber wenn ich darüber hinwegkommen will, wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben.« Michelle stand auf. »Kommst du allein zurecht? Ich gehe meinen Vater suchen.«
»Hast du eine Ahnung, wo er sein könnte?«
»Ich glaube schon.«
66.
J ane Cox fuhr in der Limousine wieder von der Poststelle zurück. Ohne dass sie etwas davon gewusst hätte, hatte das FBI das Schließfach überprüft, das sie täglich öffnete. Ohne Ergebnis. Der Name war falsch, das Fach für sechs Monate bar bezahlt, und auch sonst gab es nichts. Sie hatten dem Filialleiter die Hölle heißgemacht, weil er sich nicht an die Regeln gehalten hatte.
»Genau so hat es auch mit 9/11 begonnen, Sie ahnungsloser Trottel!«, hatte Agent Chuck Waters den Mann hinter dem Tresen angebrüllt. »Sie überlassen Terroristen ein Schließfach, ohne ihren Hintergrund zu überprüfen. Sie helfen den Feinden dieses Landes, uns anzugreifen. Wollen Sie, dass man sich dafür an Sie erinnert? Als Gehilfe Osama bin Ladens?«
Der Mann war so verzweifelt gewesen, dass er in Tränen ausgebrochen war. Doch Waters hatte das nicht mehr gesehen. Er war bereits aus der Filiale gestürmt.
Jane erreichte das Weiße Haus und stieg langsam aus der Limousine. In letzter Zeit hatte man sie nur selten in der Öffentlichkeit gesehen, und das war auch ganz gut so. Sie war ausgemergelt und deutlich gealtert. Mit den HD-Kameras, die man heutzutage benutzte, kam das gar nicht gut rüber. Selbst dem Präsidenten war es aufgefallen.
»Alles in Ordnung, Liebling?«, hatte er bei einer kurzen Unterbrechung seiner Wahlkampftour gefragt. Jane war direkt aus der Limousine in ihre Wohnung gegangen und hatte ihn am Schreibtisch angetroffen, wo er Papiere durchsah.
»Es geht mir gut, Danny. Ich wünschte nur, die Leute würden aufhören, mich das zu fragen. Irgendwann glaube ich selbst noch, dass etwas nicht stimmt.«
»Das FBI hat mich über deine Besuche in der Postfiliale informiert.«
»Nicht der Secret Service?«, erwiderte sie rasch. »Die Spione in unseren Reihen?«
Er seufzte. »Die tun nur ihren Job, Jane. Wir sind jetzt Staatseigentum. Der Staatsschatz - zumindest du«, fügte er mit einem raschen Lächeln hinzu. Normalerweise reichte das, um ihre Laune zu bessern.
Normalerweise, aber nicht heute. »Du bist hier der Schatz, Danny. Ich bin nur Ballast.«
»Jane, das ist nicht ...«
»Ich habe wirklich keine Zeit dafür. Du auch nicht. Die Kidnapper haben brieflich Kontakt zu mir aufgenommen. In dem Brief stand die Nummer des Postschließfachs, und der Schlüssel lag dabei. Sie haben gesagt, ich würde irgendwann einen zweiten Brief bekommen und solle jeden Tag in dem Fach nachsehen. Das habe ich getan. Aber bis jetzt ist kein Brief gekommen.«
»Warum wenden Sie sich an dich? Warum nicht an Tuck?«
»Ich weiß es nicht, Danny. Offensichtlich bin ich nicht in der Lage, wie ein Entführer zu denken.«
»Sicher, sicher, so habe ich das nicht gemeint. Also hatten wir vielleicht recht. Sie werden etwas von mir verlangen, wenn wir Willa wiedersehen wollen. Geld kann es nicht sein, denn davon hat dein Bruder mehr als ich. Himmel, wir können hier ja kaum unsere Lebensmittelrechnung bezahlen. Das muss übers Amt laufen.«
»Und damit wird es zu einem Problem, wie du gesagt hast.«
»Ich werde tun, was ich kann, Jane, aber es gibt Grenzen.«
»Ich dachte, die Macht des Oval Office sei unbegrenzt. Da habe ich mich wohl geirrt.«
»Wir werden tun, was in unserer Macht steht, um sie zurückzuholen.«
»Und wenn das nicht reicht?«, erwiderte Jane wütend.
Dan starrte sie an. Ein Hauch von Hoffnungslosigkeit lag in seinem Blick.
Der mächtigste Mann der Welt, dachte Jane, und er weiß nicht weiter.
Ihre Wut verflog
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