Sean King 04 - Bis zum letzten Atemzug
recht, Junge. Ich bin verrückt!«, brüllte Quarry. »So durchgeknallt wie der verrückte Hutmacher auf Speed. Das liegt mir im Blut. Da kann ich nichts gegen tun.«
Kurt warf sich zur Seite und versuchte wegzukriechen. Seine klobigen Stiefel wirbelten Staub auf, und seine Schreie hallten den Schacht hinunter wie hundertfünfzig Jahre zuvor die Schreie der Unionssoldaten.
»Halt die verdammte Taschenlampe näher an ihn ran, Carlos«, befahl Quarry. »Er soll keine Sekunde länger leiden als unbedingt nötig.«
Die Pistole krachte. Kurts Flucht endete für immer.
Quarry ließ die Waffe sinken und murmelte irgendetwas Unverständliches, während Carlos sich bekreuzigte.
»Weißt du, wie wütend ich deswegen bin?«, fragte Quarry. »Wie groß meine Wut und meine Enttäuschung sind?«
»Ja, Sir«, antwortete Carlos.
Quarry stieß den toten Kurt mit der Stiefelspitze an und schob die noch qualmende 45er unter den Hosenbund.
Dann drehte er sich um und marschierte den Schacht hinunter. Ins Tageslicht.
Er war die Dunkelheit satt.
Er wollte nur noch fliegen.
10.
M ichelle ließ ihre Pistole im abschließbaren Sicherheitsfach des SUV. Sie hatte keine Lust, die nächsten Jahre in einem Bundesgefängnis zu sitzen und darüber zu meditieren, dass sie besser nicht mit einer geladenen Waffe in der Tasche ins Weiße Haus hätte gehen sollen.
Sie hatten die Reporter abgehängt, die vor ihrem Haus gelungert hatten. Allerdings hatte es sie eine Menge Reifengummi gekostet, und einer der Presseleute war nach kurzer Verfolgungsjagd gegen einen geparkten Van gerast. Michelle hatte nicht angehalten, um dem Mann zu helfen.
Sean und Michelle waren durch den Besuchereingang ins Gebäude gekommen. Sie hatten erwartet, ins Weiße Haus geführt zu werden, doch nachdem man sie abgetastet und durchleuchtet hatte, sagte einer der Agenten knapp: »Mitkommen.«
Sie wurden in eine Limousine gescheucht, die vor dem Eingang wartete. Kaum war die Tür zu, fuhr der Wagen los.
Sean fragte den Fahrer: »Was soll das? Wohin fahren wir?«
Der Mann antwortete nicht, und der Bursche neben ihm drehte sich nicht einmal um.
Michelle flüsterte: »Der Secret Service scheint nicht gerade glücklich zu sein.«
»Offenbar sucht man bereits einen Sündenbock«, flüsterte Sean zurück. »Vielleicht wissen sie, warum die First Lady uns herbestellt hat. Und vermutlich mögen sie es nicht, wenn Außenstehende in ihrem Zuständigkeitsbereich herumschnüffeln.«
»Aber wir haben doch mal zu ihrem Verein gehört.«
Sean zuckte mit den Schultern. »Der Secret Service und ich haben uns nicht gerade in Freundschaft getrennt. Bei dir war es genauso. Aber jetzt müssen wir erst mal wissen, wohin wir fahren.« Sean wollte die Frage gerade stellen, als der Wagen langsamer wurde und hielt.
»Da«, sagte der Fahrer. »In der Kirche.«
»Was?«
»Bewegen Sie Ihren Hintern in die Kirche. Die Lady wartet.«
Kaum waren Sean und Michelle ausgestiegen, erkannten sie, dass sie nur ein kurzes Stück gefahren waren. Sie befanden sich dem Weißen Haus gegenüber auf der anderen Seite des Lafayette Parks. Bei der Kirche handelte es sich um St. John's. Das Portal stand auf.
Während die Limousine davonjagte, betraten Sean und Michelle die Kirche. Sie fühlten die Gegenwart der Sicherheitskräfte mehr, als dass sie die Leute sahen. Als Sean sich neben Jane Cox setzte, vermochte er nicht zu sagen, ob sie geweint hatte. Er vermutete es, wusste aber auch, dass die First Lady nicht zu den Frauen gehörte, die ihre Gefühle offen zeigten, vielleicht nicht einmal ihrem Mann gegenüber.
Unter einem schwarzen Mantel trug Jane ein knielanges blaues Kleid, Pumps und nur wenig Schmuck. Ihr Haar war unter einem Kopftuch verborgen; dennoch konnte man sehen, dass sie es auf jene Art hochgebunden hatte, die zu ihrem Markenzeichen geworden war. Viele hatten sie wegen ihres Stils schon mit Jackie Kennedy verglichen. Die Frau war nie auffällig gewesen, das wusste Sean, aber sie hatte Klasse.
»Das ist Michelle Maxwell«, stellte Sean seine Partnerin vor. »Mrs .... Jane.«
Jane lächelte Michelle gnädig an und wandte sich dann wieder Sean zu. »Danke, dass Sie bereit waren, mich so schnell zu treffen.«
»Wir dachten, dieses Treffen findet im Weißen Haus statt.«
»So hatte ich es auch geplant, aber dann habe ich mich anders entschieden. In dieser Kirche ist es privater und friedlicher.«
Sean lehnte sich auf der Bank zurück, schaute kurz zum Altar und fragte dann: »Was können
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