Sean King 04 - Bis zum letzten Atemzug
Sein Adamsapfel hüpfte ängstlich auf und ab. »Wir haben das nicht gewollt, Mr. Quarry«, krächzte er. »Aber nachdem wir das Kind betäubt hatten, ist sie reingekommen und hat geschrien und sich gewehrt. Sehen Sie sich doch nur mal Daryls Gesicht an! Sie hat ihm fast die Haut von den Knochen gekratzt. Es war Selbstverteidigung! Wir haben versucht, auch ihr eine Spritze zu verpassen, aber sie ist durchgedreht.«
»Was habt ihr von einer Mutter erwartet, der ihr das Kind wegnehmen wollt?«, erwiderte Quarry. »Wir sind die Sache hundert Mal durchgegangen. Ihr habt genau gewusst, was zu tun war. Mord war keine Option. Jetzt habe ich hier ein kleines Mädchen, das seine Mom nie wiedersehen wird. Das hätte nicht passieren dürfen.«
Daryls Stimme nahm einen weinerlichen Tonfall an. »Aber der Daddy war daheim, und das hat uns überrascht.«
»Auch diese Möglichkeit war eingeplant.«
Daryl gab nicht auf. »Aber sie hat mir die Fingernägel ins Auge gebohrt! Da bin ich durchgedreht, hab einfach zugestochen und sie am Hals getroffen. Ich wollte es nicht. Wir haben noch versucht, sie zu retten, konnten aber nichts mehr tun. Es tut mir leid.«
»Das habt ihr mir alles schon erzählt«, sagte Quarry. »Wäre es von Bedeutung, würdet weder ihr noch ich jetzt hier stehen.«
Nervös starrte Daryl auf die Pistole. »Wir waren immer für dich da, das weißt du. Und wir haben dir das kleine Mädchen gebracht, ohne ihr ein Haar zu krümmen.«
»Als ihr euch bereiterklärt habt, mir zu helfen, habe ich euch gesagt, dass es Regeln gibt. Ihr habt gegen die wichtigste Regel verstoßen und euren Eid gebrochen.«
Quarry nickte Carlos zu, der die Männer an den Handgelenken packte und auf die Knie zwang.
Quarry baute sich vor den beiden auf. »Sprecht mit eurem Gott, falls ihr einen habt. So viel Zeit gebe ich euch.«
Daryl murmelte tatsächlich etwas vor sich hin, was nach einem Gebet klang. Sein dürrer Kamerad hingegen brach in Tränen aus.
Sechzig Sekunden später sagte Quarry: »Fertig? Okay.«
Er drückte Daryl die Pistole auf die Stirn.
»O gütiger Jesus!«, heulte Daryl.
»Bitte!«, kreischte der andere Mann.
Quarrys Finger krümmte sich um den Abzug. Plötzlich nahm er die Waffe wieder weg. Warum, wusste er selbst nicht.
»Steh auf!«
Daryl starrte ihn erstaunt an. »Was?«
»Steh auf, sage ich!«
Daryl gehorchte. Seine Knie zitterten. Quarry schaute sich das zerkratzte Gesicht und das blutige rechte Auge des Mannes an; dann riss er Daryl das Hemd auf. Ein großer blauer Fleck war auf den kräftigen Bauchmuskeln zu sehen.
»Du hast gesagt, dass eine Frau auf dich geschossen hat. Stimmt das?«
»Ja, Sir. Es war dunkel, aber ich habe deutlich gesehen, dass es ein Mädchen war.«
»Das Mädchen war eine verdammt gute Schützin. Eigentlich müsstest du jetzt tot sein, Junge.«
»Ich habe eine kugelsichere Weste getragen, ganz wie du gesagt hast, Sir«, stieß Daryl hervor. »Es tut mir leid, dass die Frau getötet wurde. Ich wollte das nicht, ehrlich nicht.«
»Und du hast gesagt, du glaubst, eine Ampulle zurückgelassen zu haben?«
»Nur die eine. Auf einmal ging alles ganz schnell ... besonders, nachdem die anderen Typen aufgetaucht sind. Wir haben die Ampullen auf dem Rückweg gezählt. Aber die Leute werden ohnehin wissen, dass wir der Frau Blut abgenommen haben, wenn sie eine Obduktion machen.«
Für einen Moment wirkte Quarry verunsichert. »Dann geh, verdammt.«
»Was?«
Quarry nickte dem erleichterten Carlos zu, der Daryl daraufhin befreite. Der Mann rieb sich die wunden Handgelenke und blickte zu seinem dürren Kameraden, der noch immer auf dem Boden kniete. »Was ist mit Kurt?«
Quarry drückte Daryl die Pistole auf die Brust. »Halt den Mund. Und jetzt geh, bevor ich meine Meinung ändere. Kurt ist nicht dein Problem.«
Daryl wankte davon, stürzte, rappelte sich wieder auf und stolperte in den dunklen Gang hinaus.
Quarry wandte sich Kurt zu.
»Bitte, Mr. Quarry«, murmelte der zum Tode Verurteilte.
»Tut mir leid, Kurt, aber hier gilt Auge um Auge, Zahn um Zahn.«
»Aber Daryl ist doch derjenige, der die Frau getötet hat.«
»Aber er ist auch mein Sohn. Ich habe nicht viel, aber ich habe ihn.«
Er richtete die Pistole auf Kurts Kopf.
»Aber Sie sind wie ein Vater für mich, Mr. Quarry«, jammerte Kurt. Tränen rannen ihm über die Wangen.
»Deshalb ist es ja auch so verdammt hart für mich.«
»Das ist verrückt, Mr. Quarry. Sie sind verrückt!«, kreischte Kurt.
»Da hast du
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