Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sebastian

Sebastian

Titel: Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
Vom Netzwerk:
zu amüsieren. Zu anderer Zeit hätten sie Ihn betrachtet und nichts als Beute gesehen. Der Sukkubus, den Er vor ein paar Tagen getötet hatte, war sicherlich dieser Meinung gewesen. Der weibliche Mensch, der jetzt in der Gasse verfaulte, war weniger überzeugt davon gewesen, dass ein anderer »Mensch« ihr den gleichen sinnlichen Nervenkitzel bereiten könnte wie ein  Inkubus. Er hatte ihr gezeigt, dass Er nicht menschlich war - und darüber hinaus noch viele andere Dinge. Natürlich hatte sie die meisten dieser Dinge nicht sehen können, waren doch ihre Augen unter den ersten Körperteilen gewesen, die sie eingebüßt hatte.
    Mit dem Rest ihres Lebens war auch die Angst aus ihr herausgeflossen, ein köstliches Festmahl der Gefühle, von Zeit zu Zeit gewürzt mit der Hoffnung, dass jemand sie sehen, dass jemand ihr helfen würde. Der Tod des Sukkubus, einer Kreatur, die sich weit von den Reinblütigen ihrer Art entfernt hatte, hatte das erste Flackern der Angst in den Herzen der Bewohner dieses Ortes entfacht. Aber das Entsetzen der Frau, das Er, während der wenigen Minuten, die es gedauert hatte, sie zu töten, umschmeichelt und genährt hatte, war in den Boden gesickert und hatte die Resonanz der Gasse so verändert, dass Er sie als Verbindung zu einer Seiner eigenen Landschaften nutzen konnte. So musste Er nicht die Landschaften Seiner Feinde durchqueren, um dieses Jagdgebiet erreichen.
    Aber etwas hatte Seinen Versuch vereitelt, die drei männlichen Wesen in die Landschaft der Knochenschäler zu versetzen. Sie hatten die Grenze beinahe überschritten, hatten für einen Moment den Sand unter ihren Füßen gespürt. Aber etwas - oder jemand - war willensstark genug gewesen, um die Gasse aufrechtzuerhalten und hatte so dafür gesorgt, dass sie an diesem Ort blieben. Jeder, der so mächtig war, war ein Rivale, den es zu beseitigen galt.
    Aber sogar ein mächtiger Rivale konnte geschlagen werden, wenn man nur seine Angst zu einer ausreichend scharfen Waffe schmiedete.
    Er nahm eine Resonanz auf, sandte seinen Willen in den Boden um Ihn herum - und zwang Ephemera, Seinem Verlangen nachzugeben.
    Zwischen den steinernen Wänden der Gasse wurde  der Boden um die Leiche zu rostfarbenem Sand. Er änderte die Form und Sein großer Körper wechselte die Farbe, um sich dem Stein anzupassen, während Seine acht Beine Ihn die Wand hinauftrugen. Dann wartete Er.
    Einige Minuten später erschien der erste Knochenschäler und kurz darauf war der Sand von glänzenden schwarzen Körpern bedeckt.
    Die Angst eines kleinen Mädchens vor Ameisen war das Samenkorn gewesen, das Er vor langer Zeit genährt hatte, indem Er die Angst anfachte, bis sie das kleine Mädchen erst überwältigt und dann langsam aufgezehrt hatte. Ihr Entsetzen war Tag für Tag durch das Land pulsiert, und hatte Ihm die Macht verliehen, aus etwas Kleinem und Natürlichem einen lebenden Albtraum zu erschaffen - einen Albtraum, den die Leute Knochenschäler  nannten, weil Knochen das einzige waren, was sie von dem kleinen Mädchen übrig gelassen hatten, das ihr erstes Opfer geworden war.
    Mit dem Seufzen eines befriedigten Liebhabers sah Er den letzten Knochenschäler verschwinden. Sie waren einfache Kreaturen und konnten die Gasse aus diesem Grund nicht betreten. Für sie existierte die Gasse nicht. Aber jeder, der auf dieser Seite der fließenden Grenze dazu verführt oder getrieben wurde, einen Fuß auf den Sand zu setzen, würde in der Landschaft der Knochenschäler verschwinden - und niemals zurückkehren.
    Er kletterte die Wand hinab, und Sein Körper veränderte sich erneut, als Er den Sand berührte. In Gestalt eines Knochenschälers rannte Er über den Sand zu dem Zugangspunkt, den Er geschaffen hatte, der Ihn zurück zum Schlupfwinkel Seiner Feinde bringen würde - zu dem Ort, den sie die Schule der Landschafferinnen nannten. Dort hatte Er einen sicheren Ort gefunden, einen dunklen Ort, an dem Er sich verstecken konnte, während Er Seine Landschaften in anderen verankerte - und nach der Landschaft suchte, in der die Dunklen weilten.
    Was die Menschen und die anderen Kreaturen, die in diesem Jagdgebiet lebten, betraf … Wenn sie zurückkehrten, um die Leiche der Frau zu holen, würden sie statt festem Boden Sand vorfinden, ein in Fetzen gerissenes, einst elegantes Kleid, einen breiten Goldarmreif … und saubere Knochen.
     Müde setzte Sebastian sich auf einen Stuhl und stützte die Arme auf einen der Tische, die im Innenhof von Philos Restaurant

Weitere Kostenlose Bücher