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Sebastian

Sebastian

Titel: Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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gezogen, weil zu viel Schnee lag, um irgendetwas anderes zu benutzen.«
    »Der Händler war beeindruckt, weil wir Gemüse gekauft haben und keine Süßigkeiten.«
    »Und Orangen, weißt du noch? Sie kamen aus dem Süden und waren durch ein Dutzend Landschaften gereist, bevor sie nach Aurora gekommen sind, und jede einzelne kostete mehr, als das Haushaltsgeld, das Mutter mir für eine Woche gegeben hatte.«
    »Du hast sechs Stück gekauft«, sagte Lee leise. »Und jeden Tag hast du eine geschält und in drei Teile geteilt,  weil du der Meinung warst, dass wir uns dann nicht anstecken und es Mutter dabei hilft, gesund zu werden.«
    »Während der ganzen Zeit haben wir kein einziges Mal gezankt«, sagte Glorianna leise.
    »Wir hatten Angst, sie würde sterben. Es war ein harter Winter. Im Dorf waren schon mehrere Leute an Grippe oder an Lungenentzündung gestorben. Wir waren halb erwachsen und hatten solche Angst. Sie war nie zuvor so krank gewesen.«
    »Also haben wir nicht gezankt. Wir haben das Haus in Ordnung gehalten und die Lektionen gelernt, die unsere Lehrer uns gebracht haben, damit wir in der Schule nicht in Rückstand geraten … und haben uns nicht gestritten.«
    »Bis es Mutter wieder gut ging.« Lee lachte. »Und dann haben wir sie beinahe in den Wahnsinn getrieben, weil wir uns wegen jeder Kleinigkeit in die Haare geraten sind.«
    »Ja.«
    Sie liefen eine Weile schweigend nebeneinander her. Dann sagte Glorianna: »Ich liebe dich, Lee.«
    »Nicht.« Seine Stimme wurde scharf. »Die Leute fangen an, so etwas zu sagen, wenn sie glauben, sie haben vielleicht keine andere Gelegenheit mehr, es auszusprechen.«
    »Das ist es nicht. Ich habe nur … einen sentimentalen Moment.«
    »Oh, in dem Fall liebe ich dich auch. Ich -« Er versteifte sich, als sie stehen blieb. »Was ist?«
    »Eine Dissonanz. Vor uns. Da ist etwas, das nicht in diese Landschaft gehört.«
    »Die Brücke liegt auch vor uns.«
    Vorsichtig liefen sie weiter, Lee suchte mit den Augen die Umgebung ab und hielt Ausschau nach Anzeichen irgendwelcher Kreaturen, während Glorianna den Blick  auf den Boden gerichtet hielt und nach verräterischen Spuren suchte, die sie davor warnten, dass sie kurz davor waren, in eine andere Landschaft überzutreten.
    Klein. Viel kleiner als der Teich. Die Dissonanz im Teich hatte sie in ihren Gärten auf der Insel im Nebel spüren können, aber diese Veränderung der Landschaft war ihr entgangen, bis sie ihr ganz nah war.
    Lee führte sie zur Brücke und hielt dann zwei Körperlängen davor an. »An der linken Seite der Brücke ist der Boden aufgewühlt. Sieht aus, als hätte dort ein Kampf stattgefunden.«
    Glorianna nickte. »Aber Ephemera hat die Gräser und Wildblumen um diesen Kreis aus totem Gras als Reaktion auf das, was hier geschehen ist, ausgerissen. Und der Kreis scheint etwas höher zu liegen als der Rest des Bodens.«
    »Ein Zugangspunkt zu einer unterirdischen Höhle?«, fragte Lee.
    Als sie an die Kreaturen dachte, die Sebastian in der Schule gesehen hatte, fiel es ihr ein. »Eine Röhrenspinne. Das ist ihr Versteck. Aber … die Dissonanz fühlt sich nicht stark genug an. Ich glaube nicht, dass die Kreatur des Weltenfressers noch hier ist.« Sie verlangsamte ihren Atem, wartete darauf, dass ihr Herzschlag sich wieder beruhigte. Überall um sich herum konnte sie spüren, wie Ephemeras Macht sich danach sehnte, einem Herzen zu antworten - und zögerte, in so unmittelbarer Nähe eines Ortes aus den Landschaften des Weltenfressers darauf einzugehen. Niemand konnte sagen, was die Welt ohne Führung ins Leben rufen würde.
    Sie umkreiste das Versteck der Röhrenspinne, stets bedacht eine Handbreit Abstand von der kargen Erde zu halten.
    Höre mich an, Ephemera, rief sie, während sie im Kreis lief. Höre auf mein Herz. Sie griff nach den Strömungen des Lichts und nach einem Faden der Dunkelheit, veränderte die Landschaft und versetzte das Versteck der Röhrenspinne an den Ort der Steine, der bereits von ihr aus der Welt genommen worden war, als sie den Versuch des Weltenfressers vereitelt hatte, die Landschaft der Knochenschäler mit dem Pfuhl zu verbinden.
    Das Versteck der Spinne und der nackte Boden, der es umgab, verschwanden und hinterließen ein tiefes Loch - ein Loch, das die Welt füllen wollte.
    Höre mich an. Höre auf mein Herz.
    Ephemera erkannte sie. Sie war wie die Alten, die gewusst hatten, wann man mit dem Licht spielen musste und wann mit der Dunkelheit.
    Erde, dachte Glorianna,

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