Sebastian
Erklärung dafür sein könnte, warum Sebastian sich aufführte wie ein Schäferhund, der ein einzelnes Lamm zu hüten hatte. Und das war schon sehr interessant.
Und genauso interessant war es, dass sie, als sie sich vor kurzem in einer Stadt umgesehen hatte, die in einer ihrer Landschaften lag, einer Eingebung gefolgt war und bei einem Laden Halt gemacht hatte, der Damenkosmetik anbot. Die Farben, die sie ausgewählt hatte, passten überhaupt nicht zu ihr, aber sie hatte sie seitdem ganz unten in ihrem Bündel mit sich herumgetragen.
Die Farben passten perfekt zu Lynnea.
Glorianna warf einen Blick auf den Catsuit in Lynneas Hand, sah dann kurz hinüber zur Ladentür - und lächelte.
»Na komm«, sagte sie und legte Lynnea eine Hand auf die Schulter, um sie durch einen Vorhang in den Umkleideraum zu führen. »Wir wollen dich für einen Streifzug durch den Pfuhl zurechtmachen.«
Sebastian starrte auf die Tür zu Mr Finchs Laden.
Glorianna Belladonna blieb kein Geheimnis des Herzens verborgen. Innerhalb einer Minute würde sie erkennen, dass Lynnea nicht in den Pfuhl gehörte. Aber würde sie auch weiterdenken? Sie wusste nichts von seinem Vorhaben, seinem kleinen Häschen die Möglichkeit zu geben, stark und mutig zu sein. Sie wusste nicht, dass er ein paar Stunden mit einer Frau brauchte, die so viele Gefühle in ihm weckte, dass es ihm Angst machte.
Was passierte in diesem verflixten Laden?
Teaser kam über die Straße getrottet und stellte sich neben ihn.
»In Ordnung, es ist für alles gesorgt«, sagte er. »Obwohl ich euren Streifzug auf die Hauptstraße beschränken würde, wenn ich du wäre. Ich habe die Nachricht zwar verbreitet, aber das heißt nicht, dass die Inkuben und Sukkuben sich auch alle daran halten werden, was du von ihnen willst.«
»Das werden sie, wenn sie im Pfuhl bleiben wollen«, knurrte Sebastian. Wenn er all die Jahre unbewusst die Magie der Zauberer, die in ihm schlummerte, dazu genutzt hatte, um menschliche Besucher daran zu hindern, in den Pfuhl zurückzukehren, könnte er dann auch einen Dämon davon abhalten? Er würde es an dem Sukkubusluder ausprobieren, nachdem er Lynnea in die Schule der Landschafferinnen gebracht hatte. Immer vorausgesetzt natürlich, dass Lynnea noch im Laden war.
Teaser sah ihn vorsichtig an, aber einen Moment später war sein Blick schon wieder so selbstbewusst und lebhaft wie immer, und er sprühte geradezu vor Energie. In den Augen des Inkubus brannte ein Licht, das er schon lange nicht mehr gesehen hatte. Ein harmloser Streifzug war nicht das heiße Treiben, nach dem sich die Inkuben normalerweise sehnten, aber es war mal etwas anderes, etwas Neues, und das allein war Grund genug für Teasers Begeisterung.
»Also«, sagte Teaser, während er sich umsah und grinste, »wo ist die Landmaus?«
»Im Laden. Mit Glorianna.«
Das Grinsen verschwand. »Belladonna ist hier?«
Bevor Sebastian antworten konnte, öffnete sich die Ladentür, und Glorianna trat heraus. Allein.
Er stieß sich von der Wand ab, wollte sie zur Seite drängen und in den Laden stürzen, um nachzusehen, ob außer Mr Finch noch jemand da war. Stattdessen stand er einfach nur da, und seine Muskeln verkrampften sich von der Anstrengung, still stehen zu bleiben. »Wir müssen reden.«
Glorianna warf ihm einen langen Blick zu, lächelte dann schadenfroh - und sah aus wie die Cousine, die er liebte, und nicht wie die gefährliche Landschafferin, die man aus Angst ausgestoßen hatte. »Später. Du wirst für eine Weile alle Hände voll zu tun haben, Sebastian.«
Dann sah sie Teaser an, der zum Gruß mit dem Kopf nickte und sagte: »Ich helfe Sebastian.«
»Ja«, sagte sie nach einer langen Pause. »Ja, das tust du.« Sie klang fasziniert, als ob etwas ihre Erwartungen übertroffen hätte.
Dann ging sie davon.
»Gut«, sagte Teaser, atmete laut aus und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Gut.«
Er rannte nicht weg, lief aber so eilig in die andere Richtung, dass der Abstand zwischen ihm und Belladonna schnell größer wurde.
Was Sebastian wieder allein vor Mr Finchs Laden zurückließ. Warum noch länger warten? In Gloriannas Lächeln hatte eine Nachricht gelegen, aber er konnte sie nicht entschlüsseln … und hatte auch keine Lust, es zu versuchen.
Unglücklich und enttäuscht wandte er sich von der Tür ab. Er hatte den Pfuhl auf den Kopf gestellt, um für ein paar Stunden eine Illusion zu erschaffen. Und wofür? Um sich wieder wie ein Kind zu fühlen, von den anderen
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