Sebastian
dass er nicht in einer so dunklen Landschaft sei, wie er dachte. Der Pfuhl ist wie du, Sebastian. Feurig, dunkel und mit ein paar gemeinen Ecken und Kanten, aber er hat ein gutes Herz.«
Der Pfuhl ist wie du. Sebastian wartete, bis Philo ihm wieder den Rücken zukehrte, bevor er sein Weinglas leerte - und daran zurückdachte, wie Glorianna ihn zum ersten Mal im Pfuhl besucht hatte, sechs Monate nach seiner Ankunft.
»Das ist vielleicht ein seltsamer Ort, oder?«, sagte Sebastian, als er Arm in Arm mit ihr über die Hauptstraße lief.
»Stimmt«, antwortete Glorianna. »Bist du glücklich hier?«
»Ich gehöre hierher.«
Er hatte nicht bemerkt, wie verkrampft sie gewesen war, bis er spürte, wie sie sich entspannte. Hatte nicht erkannt, dass, während er seinen Platz gefunden, sie den ihren verloren hatte. Hatte während dieses ersten Besuchs nicht einmal gemerkt, dass sie die Landschafferin war, die Ephemera verändert hatte, um den Pfuhl zu erschaffen. Und später …
Warum hast du es getan, Glorianna? Warum hast du einen Ort wie den Pfuhl geschaffen?
Sie zuckte mit den Schultern. »Sogar Dämonen brauchen ein Zuhause.«
Es hatte ihm einen Stich versetzt, dass sie ihn als Dämon betrachtete, aber selbst damals hatte er zugeben müssen, dass sie recht hatte. Die Inkuben und Sukkuben waren die vorherrschende Dämonenrasse im Pfuhl, und zum ersten Mal waren sie hier an einem Ort, an dem sie die Freiheit hatten, das zu sein, was sie waren. Sie mussten nicht länger versuchen, sich den Menschen anzupassen, waren nicht länger der Gefahr ausgesetzt, verletzt oder sogar getötet zu werden, wenn ihre Natur bekannt wurde. Viele, die während dieser ersten Monate im Pfuhl gestrandet waren, hatten gemerkt, dass die ausgelassene Atmosphäre und die fehlende Gefahr nicht nach ihrem Geschmack waren. Und diejenigen, die versucht hatten, die Stimmung im Pfuhl zu verändern und auf die Art von Ärger aus waren, die ihn zu einer anderen Landschaft gemacht hätte …
Glorianna Belladonna blieb kein Geheimnis des Herzens verborgen. Wer sich nach einem gefährlicheren Ort sehnte, landete auch an einem gefährlicheren Ort. Aber nicht im Pfuhl. Wer die dunklen Wünsche seines Herzens überlebte, kehrte nie in den Pfuhl zurück.
Erst mit siebzehn hatte er herausgefunden, dass die ausgestoßene Landschafferin Belladonna seine Cousine Glorianna war. Er hätte es vielleicht nicht einmal dann bemerkt, wenn nicht Lee, ein paar Wochen nachdem er an der Schule seine Ausbildung zum Brückenbauer begonnen hatte, im Pfuhl aufgetaucht wäre.
Fünfzehn Jahre alt und auf der Flucht vor einem Schmerz, den er nicht ertragen konnte, war Lee in den Pfuhl gekommen. Sebastian hatte die Frau stehen lassen, die er schon fast im Bett gehabt hatte, um seinen jüngeren Cousin vor größeren Schwierigkeiten zu bewahren. Er half Lee, sich bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken, weil der Junge fest entschlossen schien, etwas Selbstzerstörerisches zu unternehmen, und er hatte ihm später den Kopf festgehalten, als er den Alkohol und die Hälfte seines Mageninhaltes auskotzte.
Und er hatte Lees Erzählung von der schlimmen, schmerzhaften Entdeckung gelauscht, die er an diesem Tag gemacht hatte und die ihn in Tränen ertrinken ließ - die Entdeckung einer Tatsache, die seine Mutter und seine Schwester vor ihm verborgen hatten. Lee hatte gewusst, dass seine Schwester die Schule der Landschafferinnen plötzlich verlassen hatte und von ihrer Mutter unterrichtet wurde. Aber bis er über das Schulgelände gelaufen war, um den Garten seiner Schwester zu finden, hatte er nicht gewusst, dass die Lehrer mit Hilfe der Zauberer versucht hatten, Glorianna in ihrem Garten einzuschließen, hatte nicht gewusst, dass sie zur Ausgestoßenen erklärt worden war, zu einer Bedrohung Ephemeras. Glorianna war jemand, den die Zauberer sofort vernichten würden, sollten sie sie jemals zu Gesicht bekommen.
Sie war diejenige, die jetzt den Namen Belladonna trug.
All dies hatte Sebastian von einem Jungen erfahren, der versuchte, mit einer Erkenntnis fertig zu werden, die sein Leben verändert hatte. Aber er fragte nie, warum. Keiner von ihnen - weder Nadia oder Glorianna noch Lee - hatten ihm je erzählt, was Glorianna getan hatte, um ausgestoßen zu werden. Jetzt, nach so vielen Jahren, spielte es keine Rolle mehr. Sie war gefährlich … und gefürchtet - und sie war noch immer das Mädchen, das sein gequältes Herz besser verstanden hatte, als er selbst.
Plötzlicher
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