Sebastian
Scheiben geschnittenes Steak, Buttertoast und ein mit Kartoffeln, Zwiebeln und Paprika gefülltes Omelett. Er füllte ihre Tassen auf und kümmerte sich wieder um seine anderen Gäste.
Sebastian stocherte nur in seinem Essen herum, um sich zu beschäftigen. Er brauchte eine Gelegenheit, um seinen Plan ins Rollen zu bringen, aber Lynnea stürzte sich mit einer solchen Begeisterung auf ihr Frühstück, dass er ihr nicht den Appetit verderben wollte, indem er über etwas sprach, was sie aus der Fassung bringen könnte. Also aß er ebenfalls, während er die Inkuben und Sukkuben auf ihrem Beutezug betrachtete und den Besuchern zusah, wie sie auf der Suche nach einem Bordell, einer Spielhölle oder einer Taverne, in der sie sich bis zur Besinnungslosigkeit betrinken konnten, durch die Hauptstraße schlenderten. Der Pfuhl war ein Ort, an dem man den Lastern, die in den Landschaften des Tageslichts verpönt waren, in aller Öffentlichkeit frönte. Wenn ein Mann seinen gesamten Monatslohn versaufen, verspielen oder für ein paar Huren ausgeben wollte, so waren ihm die Bewohner des Pfuhls mehr als gerne behilflich dabei. Wenn eine gelangweilte, reiche Ehefrau für die Zeit und die besonderen Talente eines Inkubus bezahlen wollte, so war das ihre Entscheidung - und wenn sie deswegen in ihrer eigenen Landschaft Schwierigkeiten bekam, so war es ihr Problem.
Selbstverständlich fanden die Bewohner des Pfuhls es immer sehr unterhaltsam, wenn eine gelangweilte, reiche Ehefrau und ihr ebenso gelangweilter, reicher Mann sich auf einem Bordellflur begegneten. Und diese Begegnungen bestätigten, was die Bewohner des Pfuhls schon lange wussten: Auf seine eigene Art war der Pfuhl ehrlicher als die Landschaften des Tageslichts, denn die wenigen Regeln, die es gab, galten für alle, unabhängig von Rasse oder Geschlecht.
Als Lynnea sich schließlich zufrieden seufzend zurücklehnte, schob Sebastian seinen Teller zur Seite und ergriff ihre Hand. Die Berührung ließ sie erzittern, und das kleine Häschen starrte den Wolf an, der versuchte, beim Gedanken an das bevorstehende Festmahl nicht zu geifern.
»Sag mir, was du willst Lynnea«, begann er. »Wenn du für ein paar Stunden haben könntest, was auch immer du dir wünschst, was wäre es?«
Sie befeuchtete ihre Lippen mit der Zunge. Sein Puls raste, aber er zwang sich dazu, sie nicht auf seinen Schoß zu ziehen und zu küssen, bis sie beide nicht mehr wussten, wo sie waren, und es sie auch nicht länger interessierte. Er hielt einfach nur ihre Hand und wartete.
»Ich wäre gerne …« Sie schloss die Augen. »Ich wäre gerne stark und mutig. Ich hätte gerne nicht mehr die ganze Zeit Angst. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie es ist, keine Angst zu haben.«
»Erledigt«, sagte Sebastian zärtlich.
Sie öffnete die Augen und sah ihn an, den Blick voller Unverständnis.
»Habe ich erwähnt, dass ich nicht nur ein Inkubus, sondern auch ein Zauberer bin?«
Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, als er auf einmal spürte, wie in ihm etwas zerbrach, als ob ein Teil von ihm nur darauf gewartet hätte, endlich erkannt zu werden. Die Wahrheit seiner Worte erfüllte ihn, überwältigte ihn.
Wächter und Wahrer! Er war ein Zauberer.
Das konnte nicht sein. Unmöglich.
Warum nicht?
Weil … Hätte er es nicht gewusst? Hätte Koltak es nicht gewusst?
Oder war das der Grund, aus dem Koltak den verhassten Sohn immer und immer wieder zurück in die Stadt der Zauberer gebracht hatte? Was hätte Koltak mit einem Sohn getan, den ein Sukkubus zur Welt gebracht hatte, wenn dieses Kind Anzeichen einer magischen Begabung an den Tag gelegt hätte?
Er wollte nicht darüber nachdenken. Er hatte diese Worte nur ausgesprochen, um Lynnea einen Anlass zu geben, die Fesseln ihrer Vergangenheit abzuschütteln. Stattdessen hatte er für sich selbst die Tür zu einer neuen und Furcht einflößenden Zukunft aufgestoßen.
Macht ohne Kontrolle. Gab es etwas Gefährlicheres in einer Welt, die sich ständig veränderte, um der Resonanz der Herzen zu entsprechen? Alles, was er über die Magie wusste, die die Zauberer angeblich ausübten, hatte er aus Geschichten gelernt, aus Gerüchten über Dinge, die sie laut Hörensagen anderen Menschen angetan hatten. Er musste mit jemandem darüber sprechen, aber wem konnte er vertrauen? Lee? Glorianna? Vielleicht. Oder würde ihre starke Abneigung gegenüber Zauberern sie dazu bringen, sich von ihm abzuwenden, wenn sie es erfuhren? Tante Nadia?
Langsam
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