Sebastian
sang sein Herz etwas anderes: Glorianna, Glorianna, Glorianna.
Hier sollte die Sonnenuhr stehen, genau vor ihnen. Aber da war nichts als eine kreisrunde Fläche voller blasigem Schlamm.
Keine Orientierungspunkte mehr. Nichts, das sie führen könnte.
»Wo …?« Lynnea rang nach Luft.
Sie mussten in Bewegung bleiben oder sterben.
Glorianna, Glorianna, Glorianna. »Hier entlang.«
Er rannte, zog Lynnea mit sich, ließ sich von seinem Instinkt leiten. Ein Labyrinth aus Gärten, die sich zu sehr ähnelten, um sie zu unterscheiden. Mauern und Mauern und Mauern. Das Licht war fast erloschen. Sie würden den Weg durch das Labyrinth niemals finden, wenn das Licht erst ganz verschwunden war.
Aber er verließ den einen Pfad und folgte einem anderen, als ob ein Seil um seine Brust ihn nach vorne gezogen hätte.
Glorianna, Glorianna.
Dann sah er ihn. Von außen war kein Unterschied zu den anderen zu erkennen, aber er wusste, dass es ihr Garten war.
»Hier«, keuchte er und rüttelte an dem schmiedeeisernen Tor, als ob das ausreichen würde, um das Schloss aufzubrechen. Selbst wenn er es zerbrach, war hinter dem Tor eine hölzerne Tür, die wahrscheinlich von innen verschlossen war, denn er konnte keine Möglichkeit erkennen, sie von dieser Seite zu öffnen.
Er hatte keine Zeit, um herauszufinden, ob die Magie der Zauberer die Türen öffnen konnte. Irgendwo im Gewirr der Gärten hatten sie die Verfolger abgehängt, aber die Kreaturen würden nicht lange auf Abstand bleiben. Nicht mit der Aussicht auf frische Beute.
»Du musst klettern.« Er packte sie mit beiden Händen an der Hüfte und hob sie ein Stück empor, damit sie mit den Füßen auf einer Querstange zu stehen kam. »Zieh dich rüber.« Geräusche von der Wegkreuzung hinter ihnen. »Jetzt!«
Er wich einen Schritt zurück, um einen Tritt ins Gesicht zu vermeiden, als Lynnea ihre Beine über das Tor schwang. Mit einem Fuß trat er auf einen Stein und stolperte. Er griff nach dem Tor, um nicht hinzufallen - und fand sich plötzlich auf Augenhöhe mit der Messingtafel wieder, die neben dem verschlossenen Tor an der Mauer befestigt war.
In die Tafel waren ein Datum und das Zeichen der Zauberer eingeprägt, das besagte, dass dies ein verbotener Ort sei.
Er vergaß die Gefahr, die sich ihm näherte. Alles verblasste zur Bedeutungslosigkeit, als er das Datum auf der Tafel anstarrte.
Dann schrie Lynnea: »Sebastian!«
Plötzlich war er sich der unmittelbaren Gefahr wieder bewusst und schnappte sich den Stein, über den er gestolpert war.
Riesenhafte Ameisen und Spinnen rasten auf ihn zu. Ganz vorne lief etwas, das aussah wie eine in die Länge gezogene Spinne mit zwei schwarzen Augen und Kiefern, die stark genug waren, seine Oberschenkelknochen zu zermalmen.
Ein tödlicher Aspekt der Magie, über welche die Zauberer verfügten, trug den Namen »Blitz der Gerechtigkeit«. Magische Blitze, die einen Menschen töten konnten. Er wurde eingesetzt, wenn eine Person als so gefährlich erachtet wurde, dass man sie vernichten musste, anstatt sie zur Strafe in eine dunkle Landschaft zu schicken.
Unglücklicherweise hatte er keine Ahnung, wie man diese Art der Magie herbeirief oder kontrollierte. Aber in ihm bäumte sich jetzt rohe Macht auf, und er leitete sie - und seinen Zorn - in den Stein, den er in der Hand hielt.
Das spinnenähnliche Wesen kam mit erschreckender Geschwindigkeit auf ihn zu. Die anderen folgten nicht weit dahinter.
Teils aus Wut, teils aus Verzweiflung, schrie er laut auf und warf den Stein auf das Spinnenwesen. Er traf die Kreatur genau zwischen die Augen und dann -
Sebastian riss die Arme nach oben, um seine Augen zu schützen, als grelle Lichtblitze aus dem Stein schossen und das Spinnenwesen und die Kreaturen, die ihm am nächsten waren, verbrannten.
Er blinzelte, schüttelte den Kopf und kletterte dann eilig über das Tor. Als er sich an der anderen Seite heruntergelassen hatte, lehnte er sich gegen die Steinmauer.
»Sebastian?« Lynnea lief auf ihn zu.
»Nicht!« Seine Hand prickelte noch immer von der freigesetzten Magie. Weil er sich ziemlich sicher war, dass der magische Blitz normalerweise nicht so zersplitterte, wollte er nicht, dass sie ihn berührte, bis er davon überzeugt war, dass er sie nicht auch versengen würde.
»Auf dieser Seite der Mauer gibt es keine Tür«, sagte Lynnea und blickte auf die massive Steinmauer. »Warum ist hier keine Tür?«
Weil sie versucht haben, ihren Garten zu versiegeln. Weil... Verdammt
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