Sechs Brüder wie wir
Strandkiefern in einem Neunzig-Grad-Winkel in dieselbe Richtung geknickt sind.
Natürlich hatten die Fougasse-Cousins anfangs einen kleinen Heimvorteil … Tante Pierrette wollte zuerst einen Wettbewerb im Sandburgenbauen am Strand veranstalten, aber das geriet dann schnell etwas aus dem Ruder.
Danach hat Onkel Pierre gegrillt, wir saßen alle miteinander um einen Klapptisch und haben literweise lauwarme Limonade getrunken, bevor wir mit unseren Keschern zurück an den Strand sind, um dort Krabben zu sammeln.
Den ganzen Nachmittag haben wir uns klebrige Algen ins Gesicht geschmissen, es war ein richtig schönes Spiel, und am Ende hatten wir so viel Sand in der Badehose, dass wir uns fühlten, als hätten wir eine vollgeschissene Windel, so wie Jean Fünf.
Es war ein supertoller Tag.
Kurz bevor wir dann fahren mussten, rief Pierre Zwei, der das Ende einer Sandschaufel ins Auge bekommen hatte, laut einen Jungen vorn am Wasser zu Hilfe, den er auf dem Campingplatz kennengelernt hatte.
„Er ist mein bester Freund“, sagte Pierre Zwei, „und nur damit ihr’s wisst, sein Vater hat einen Citroën DS 19 und er kann mit bloßer Hand Ziegelsteine durchhauen. Er wird euch so zurichten, dass ich schon jetzt Mitleid mit euch habe.“
„Heiliger Strohsack!“, rief ich, als ich seinen besten Freund auf uns zurennen sah. „Na, so was!“
„Na, so was!“, rief der beste Freund von Pierre Zwei und bremste plötzlich ab.
Ob ihr es glaubt oder nicht, es handelte sich um François Archampaut. Meinen besten Freund.
„Was machst du denn hier?“, stammelte ich.
„Und du?“, fragte er.
Er hat mir dann alles erklärt. Weil sein Vater ja Geheimagent ist, war das mit dem Camping nur eine Tarnung. Mit ihren Infrarotferngläsern beobachteten sie nämlich jede Nacht den Strand, ob sich feindliche Froschmänner mit Harpunengewehren und Unterwassergranaten näherten.
„Ist nicht wahr!“, rief ich.
„Doch, mein Alter“, meinte François Archampaut bescheiden.
François Archampaut brüstet sich nicht gerne mit Dingen, obwohl er im schönsten Caravan auf dem ganzen Campingplatz wohnte, ganz mit Stilmöbeln eingerichtet und mit einem hochmodernen Ultraschallgerät ausgestattet.
„Schade, dass mein Vater gerade schläft“, sagte er. „Sonst hättest du den Wohnwagen jetzt besichtigen können.“
Aber es hat mich natürlich gestört, dass Pierre Zwei behaupten konnte, der beste Freund von François Archampaut zu sein, wo ich doch der beste Freund von François Archampaut bin.
„Lass mal gut sein“, sagte er. „Das ist nur Tarnung. Wir beide bleiben bis zum Tod treue Freunde.“
„Ich … ähm“, stammelte ich, weil ich das Gefühl hatte, ihn verraten zu haben. „Ich will jetzt später was anderes werden, nämlich Astronaut und nicht mehr Geheimagent …“
„Geht mir genauso!“, sagte er und nickte. „Unglaublich! Wie bist du nur darauf gekommen?“
Als ich Jean Eins von François Archampauts Geheimmission auf dem Campingplatz erzählte, wollte er es mir mal wieder nicht glauben.
Wie könnte es auch anders sein? Weil Jean Eins eine Brille hat, will ihn nämlich kein Geheimagent zum Freund haben. Um sich zu rächen, behauptet er deshalb, dass François Archampaut ein Lügner ist und dass er lauter solche Geschichten erzählt, weil seine Mutter gestorben ist, als er noch klein war, und dass er deshalb nicht ganz richtig im Kopf ist.
Aber ich glaube François Archampaut. Wozu soll denn sonst ein bester Freund gut sein?
Das Ferienende wartete dann noch mit anderen großen Überraschungen auf.
Es begann damit, dass wir mit Opa zum Teich zurückfuhren, um Zäpfchen freizulassen. Er war innerhalb weniger Tage so stark gewachsen, dass er in seiner Limoflasche gar keinen Platz mehr zum Schwimmen hatte.
Jean Fünf heulte ein wenig, weil er seinen Fisch weggeben musste. Aber Zäpfchen wäre in unserem Haus in Toulon nicht glücklich geworden und erst recht nicht während der langen Autofahrt dorthin. Ein Fisch, selbst wenn er so klein wie Zäpfchen ist, braucht seine Freiheit und will mit seinesgleichen zusammenleben. Es gefällt ihm nicht, wenn er in einem Zierfischglas auf einem Regalbrett im Kreis schwimmen muss, und er mag auch nicht sein ganzes Leben lang mit Zwiebackkrümeln oder aufgeweichten Biskuits gefüttert werden.
Erstes und Zweites Programm haben Jean Fünf etwas getröstet. Weil sie inzwischen schon vier Wochen alt waren, ließ Opa Jean sie jetzt auch ins Haus und richtete ihnen sogar im
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