Sechs Brüder wie wir
machten.
„Dann massakrieren wir euch!“, feixte Jean Eins, der sich zu Pierre Eins gebeugt hatte.
„Das überlebt ihr nicht!“, feixte Pierre Eins zurück.
Trotzdem verspürten wir eine seltsame Leere, als die Fougasse-Cousins abfuhren. Wann kam es denn schon vor, dass wir uns nicht nur untereinander, sondern auch mit anderen so richtig schön prügeln konnten?
Wir standen noch einen Augenblick vor dem Haus und winkten scheinheilig, bis das Auto verschwunden war, dann sagte Oma mit einem tiefen Seufzer: „Sind eure Cousins nicht reizend? … Und so wohlerzogen!“
„Miregal“, brummte Jean Eins.
„Wie bitte?“, fragte Oma.
„Ähm … doch, alle!“, stimmte Jean Eins ihr zu.
„Ach ja“, meinte Oma lächelnd, „es geht eben nichts über ein wenig Disziplin und die richtigen Erziehungsprinzipien!“
Wir pflichteten ihr mit bedeutungsvoller Miene bei.
Trotz ihrer Köpfe wie Suppenschüsseln und der stark abstehenden Segelohren hatten die Fougasse-Cousins in einem Punkt Recht: Sie waren für immer die Lieblinge von Oma Jeannette.
So ist es immer mit den großen Ferien.
Man glaubt, sie gehen nie zu Ende, und eines Tages stellt man überrascht fest, dass die Abreise näherrückt – und dabei hatte ich noch so viel vor!
Mama hatte schon seit einiger Zeit angefangen, unsere Sachen zu packen. Was wir für die Reise anziehen sollten, lag in einem Fach des Kleiderschranks bereit. Strengste Warnung, ja nichts mehr schmutzig zu machen! Und auch nicht mehr überall unseren Krempel herumliegen zu lassen! Seit ihrer Rückkehr aus Toulon verbrachte Mama die Tage damit, sich um unsere Wäsche zu kümmern, und schimpfte die ganze Zeit über das Landleben, bei dem alle Hosen an den Knien grüne Flecke bekommen und in den Socken überall Kletten hängen.
Ich liebe es, wenn die Ferien zu Ende gehen, wenn man am Abend wieder Pullis anzieht und die Schule bald wieder anfängt.
Eines Morgens habe ich mit Jean Eins einen Radausflug bis ins nächste Dorf gemacht, weil wir dort die Sammelbildchen von der Tour de France kaufen wollten, die uns in unserem Album noch fehlten. Der Schreibwarenhändler hatte schon alles für den Schulanfang in die Regale geräumt und es roch so schön nach Plastik, nach Kreide und nach neuen Schulranzen … Wir trieben uns lange bei ihm im Geschäft herum und strichen über die Mäppchen, die Stifte und die farbigen Heftumschläge, und ich konnte es kaum mehr erwarten, bis der erste Schultag da war.
„Die fünfte Klasse ist einfach genial“, sagte Jean Eins, „du wirst schon sehen! Und weil wir beide auf dieselbe Schule gehen, werden die Großen es auch nicht wagen, dich zu ärgern, sonst bekommen sie es nämlich mit mir zu tun!“
Bei unserer Rückkehr wartete Papa schon auf uns. Die Fotos, die er von unserem neuen Haus gemacht hatte, waren endlich gekommen. Wir setzten uns im Kreis um ihn herum und er ließ sie stolz herumgehen und wartete auf unsere Reaktion.
„Und?“, fragte er. „Was haltet ihr davon?“
„Ein Daumen!“, sagte Jean Drei.
„Ein Stück von Mama!“, rief Jean Vier.
Papa ist ein sehr guter Fotograf. Es handelte sich um so was Ähnliches wie Unterwasseraufnahmen mit unbekannten Objekten, die im Vordergrund schwebten.
„Daran … ähm … ist dieser verfluchte Apparat schuld“, sagte er mit einem Hüsteln. „Also, das hier ist … das Wohnzimmer oder vielleicht auch …“
„Die Garage?“, schlug Jean Eins vor.
„Ein Waschbecken!“, rief Jean Drei. „Unser neues Badezimmer!“
„Du hältst es verkehrt herum, Blödmann!“, rief ich und drehte das Foto um. „Wenn man genauer hinsieht, erkennt man, dass das Papas Schuh ist.“
„Hast du die Zimmer gleich tapeziert?“, fragte Jean Eins, nachdem er auf das nächste Foto geschielt hatte. „Weil man da fast glaubt, dass die Wand sich wellt …“
„Mit ein wenig gutem Willen“, meinte Papa leicht verärgert und sammelte die Fotos wieder ein, „bekommt man durchaus einen Eindruck, aber wie ihr wollt … Dann müsst ihr euch eben überraschen lassen.“
Über den Tag, an dem wir die Fougasse-Cousins besucht haben, braucht man nicht viel Worte zu verlieren. Es wurde ein Gemetzel, da hatte Jean Eins nicht zu viel versprochen.
Der Campingplatz, auf dem sie immer ihre Ferien verbringen, ist riesengroß. Es stehen dort Hunderte von Campingwägen in den Dünen und es gibt für alle nur eine einzige Sammeldusche und außerdem weht die ganze Zeit ein Wind mit Windstärke vier, sodass die
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