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Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Titel: Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann
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weitergeben – wir brauchen jetzt auch am Boden Speibsackerl. Oder Kotztüten, für unsere deutschen Gäste.«
    Toni kam mit zwei Dosen Bier aus dem Flughafengebäude. Ich saß in der Kälte auf einer Bank vor dem Terminal 1.
    »Hier«, sagte sie und öffnete eine Dose Puntigamer. »Lustig samma, Puntigamma. Trink! Du musst langsam von der Fettn fortkommen, wie wir sagen. Ein bissl was trinken, nachdem du viel getrunken hast.«
    Widerwillig und angeekelt nahm ich einen Schluck. Ich zitterte. Noch immer fielen Schneeflocken. Auf einem Verkehrsschild stand Fischamend . Ich war auch am End. Fischamends Friend.
    »Komm«, sagte sie, »fahren wir ins Funkhaus. Es sei denn, du hast was Besseres vor?«
    Jedenfalls nichts, was besser klang. Wir stiegen in ein Taxi. Der Fahrer war schon älter, er hatte ein gerötetes Gesicht, eine knollige Nase mit blauen Äderchen und geplatzten Poren. Die Ausfahrt Fischamend ließen wir rechts liegen, er fuhr auf die Autobahn auf. Links war die große OMV-Raffinerie, die mich ans Ruhrgebiet erinnerte. Verwirrende Röhrenkonstruktionen, Türme, Kessel – ich war froh, dass ich so eine Anlage nicht planen musste. Die Raffinerie wirkte wie das Bühnenbild zu einem unheimlichen Science-Fiction-Film mit einem schrecklichen Ende.
    Ungarische Reisebusse kamen uns entgegen. Sie hatten auf der Mariahilfer Straße, die man mittlerweile Magyarhilfer Straße nannte, die Duty-Free-Elektroläden leer gekauft und alles Obst vom Naschmarkt mit dazu. In riesigen Plastiktüten steckten Tonnen an Vitaminen und Kassettenrekordern. Nun fuhren sie zurück nach Sopron, Györ, Budapest und Debrecen – der Eiserne Vorhang ließ sich schon vor dem Mauerfall zwischen Ungarn und Österreich ein bisschen anheben.
    Unser Taxi fuhr auf der linken Spur. Der Fahrer hupte, weil ein Ford Fiesta nicht nach rechts wechselte. »Heast, du Funzn«, schrie er und hupte so lange, bis der Fiesta endlich den Blinker setzte und uns vorbeiließ. Als wir an ihm vorbeifuhren, zeigte unser wütender Fahrer der alten Frau am Steuer einen Vogel und wischte sich dann mit der Hand wie ein Scheibenwischer übers Gesicht. »Das hammer schon gern. Drah di haam, leg di in an Holzpyjama und gib a Ruh. Di hob i scho gfressen, so oide Waberln, so schiache!«, brüllte er. »I hob mi scheidn lossn von meiner Oidn. Als sie sechzig wurn is. Wissts es, warum a Scheidung so teuer is? Weil sie es wert is. I hob a Altfut-Allergie!«
    Ich verstand kein Wort.
    »Was hat er?«, fragte ich.
    »Er ist allergisch auf die Geschlechtsteile älterer Damen«, erklärte Toni und beugte sich nach vorne. »I hob a Altnudel-Allergie. Glaubens, Ihr Hängebeidl is schee? Sie mit Ihrem schiachn Frnak in der Visage? Wie die Nase des Mannes, so sein Johannes, stimmt’s? Hobn Sie an Schnapsschwanz?«
    Schimpfend hielt der Taxifahrer auf dem Pannenstreifen, stieg aus und riss die Türen auf.
    »Aussi, oba gschwind, es Gfrasta!«, schrie er.
    Wir stiegen aus, und er rauschte mit aufheulendem Motor davon. Mit der Puntigamer-Dose in der Hand und Toni an meiner Seite stand ich nun im Schneegestöber auf der Autobahn, kurz vor der Pferderennbahn Freudenau. Hinter uns ragte eine große Plakatwand in die Höhe. Wien ist anders stand darauf. Das Bier half nicht, mir war noch immer schlecht.
    Die Raffinerie leuchtete, und von der Müllverbrennungsanlage kam ein unangenehmer Geruch. Ich dachte an eine Beerdigung in Düsseldorf, auf der ich einmal gewesen war. Eine entfernte Tante war gestorben, die ich kaum kannte. Von ihren vier Kindern waren drei vor ihr gestorben, auch ihr Mann war schon lange tot. Der indische Pfarrer, der ein lustiges Pidgin-Englisch-Deutsch sprach, sagte: »Ihr Leben war ein Kommen und Gehen. Ein Mann kam, er ging, ein Kind kam und ging, und jetzt ist sie gegangen, wie wir alle gehen müssen. Aber wann und wie?« Das »wie« sprach er aus wie das französische »oui« und das »wann« wie das englische »one«.
    One und oui. Darum ging’s. Ich setzte mich auf die Leitplanke.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Toni. Ihr rotes Haar war bereits voller Schnee. Rot und weiß. Schneeweißchen und Rosenrot.
    »Wieso schimpfen die Leute in Wien so viel?«, fragte ich.
    »Sie schimpfen nicht, sie granteln. Das darfst du nicht so ernst nehmen. Wir gefallen uns in der Rolle. Wien ist ein Melting Pot, so wie New York. Aber bei uns hier haben sich nur die depressivsten Völker vermischt. Arme Slowaken mit desillusionierten Polen, halbverhungerte Rutenen mit ängstlichen

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