Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)
Ich nieste furchtbar laut. Die dicke Katze blickte mich erschrocken an, ebenso die Rothaarige und der Warmbiertrinker, die ihre Tätigkeit abrupt beendeten.
Ich warf ihnen einen entschuldigenden Blick zu. »Tut mir leid. Dirk«, stellte ich mich höflich vor.
»Ah. Dirk. Mit dem dotterweichen D wie Damentoilette«, sagte der Lockige und rollte sich entnervt zur Seite. »Ich kann nicht mit dir schlafen, wenn ein Deutscher mit im Bett liegt.« Er gab der Rothaarigen einen Kuss.
»Mal ist’s die Katze, mal ein Deutscher. Vielleicht solltest du gar keinen Sex haben. Vielleicht ist Sex nichts für dich, mein Schatz«, rief sie, wickelte sich in eine Decke und ging ins Bad. Die dicke Katze beobachtete mich weiterhin. Der nackte Mann neben mir starrte mich ebenfalls an und strich sich über seinen Dreitagebart. Ich nieste. »Tschiah!«
»Allergisch?«, fragte er. Ich nickte. Er packte die Katze, und mit den Worten »Mistvieh, deppertes« schmiss er sie aus dem Bett. Ich nieste. »Tschiah!«
»Robert«, stellte er sich vor. Ich nickte und nieste erneut.
»Kaffee?«, fragte er und ich nieste. »Tschiah!«
»Ich werte dein Niesen mal als Zustimmung.«
Robert verließ das Zimmer. Ich hörte ihn Kaffee kochen.
»Ich hoffe, es passt. Ihr Deutschen nehmt ja eine Kaffeebohne pro Liter. ›Tasskaff‹ sagt ihr. ›’n Kännchen Kaffe‹, stimmt’s? Wir in Wien trinken Kaff ee . Ich hoffe, er ist nicht zu stark. Toni, auch Kaffee?«, rief er ins Bad.
Die Tür öffnete sich, und Toni kam angezogen und mit nassen Haaren heraus. »Ich muss gehen«, sagte sie und gab Robert einen Kuss. Dann wandte sie sich an mich.
»Möchtest du mitkommen?«
»Wohin?«, fragte ich.
»Nach Schwechat, zum Flughafen. Kennst du Niki Lauda? Den muss ich heute interviewen. Für’s Radio. Wenn es dich interessiert, kannst du mitkommen!« Sie war überraschend flott und zog sich bereits Schal und Mantel an. Ich hatte angezogen geschlafen, wie ich feststellte. Also stand ich auf und zog mir die Schuhe an. »Mit dem Kaffee, das holen wir nach«, rief ich Robert zu und eilte Toni hinterher.
Toni holte aus ihrer Tasche ein Sony-Professional-Aufnahmegerät heraus, ein Mikrophon und ein Kabel. Währenddessen erzählte Niki Lauda einer Mitarbeiterin, dass es heute Morgen in einer seiner Maschinen einen Zwischenfall gegeben habe.
»Es gab Turbulenzen beim Landeanflug«, erklärte der ehemalige Formel-1-Fahrer und nunmehrige Airline-Boss in einem schmucklosen Flughafenzimmer ohne Fenster. Ein einfacher Tisch mit drei Stühlen stand im Raum. Kein Kaffee, kein Wasser. Lauda galt als geizig. Vielleicht hatte er die Dekoration eigenhändig abmontiert und die Säfte zurück in den Kühlschrank gestellt. »Als die Maschine gelandet ist, kommt die Chefstewardess zum Kapitän: Eine Passagierin hat sich in die Hose geschissen. Aber nicht im übertragenen Sinn. Sie hat voll auf den Sitz geschissen. Sie rufen das Bodenpersonal, damit die das säubern, aber die weigern sich, weil’s ja in der Luft passiert ist, also die Crew dafür verantwortlich ist. Die Chefstewardess besteht darauf, dass die Dame sich erst am Boden in die Hosen gschissen hat und sie deshalb nicht zuständig sei. Ein langes Hin und Her, keiner will’s machen. Lösung: Ein Techniker kommt und schraubt den ganzen Sitz raus. Ich glaub ja auch, dass die Dame erst am Boden gschissen hat. Sie hat Angst, dann, nach der Landung, ist sie gelöst und lässt’s laufen. So. Was wollen Sie?«
Toni hatte mir inzwischen erzählt, dass sie beim Österreichischen Rundfunk arbeitete, beim Radio in der Jugendredaktion. Sie machte vor allem Jugendporträts von Prominenten. Als ich vierzehn war , hieß die Reihe. Toni selber war 22.
»Sie haben bald Geburtstag, Herr Lauda. Feiern Sie?«, fragte sie zur Auflockerung. Aber Niki Lauda war bereits locker.
»Ich mach ein Grillfest«, sagte er und grinste.
»Mit Ihrer Familie? Ihre Söhne sehen Sie ja nicht sehr oft. Erkennen die Sie überhaupt, wenn Sie nach Hause kommen?«, fragte Toni.
»An den Ohren erkennen’s mich«, grinste das berühmteste Unfallopfer des Nürburgrings.
»Entschuldigung«, sagte ich und lief aus dem Raum. Der gestrige Abend rumorte in meinem Bauch, ich schwitzte und schwankte. Ich versuchte an die Luft zu kommen, aber es gelang mir nicht. Ich übergab mich vor einer Wechselstube. Dafür erwartete ich keine Schillinge.
Ein rot gekleideter Austrian-Airlines-Mitarbeiter vom Bodenpersonal blieb stehen und sagte: »Ich werd’s
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