Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)
normal? Tun die Rudelbumsen, oder wos? Und am Großglockner, hams des ghört? Da wollen die das Gipfelkreuz abmontieren und einen Halbmond aufstellen. San die noch normal, oder was? Wo gibt’s denn so was? Machens dann aus jedem Autobahnkreuz einen Autobahnhalbmond? Und hob i’s dann nimmer am Kreuz, sondern zwickt’s mi im Halbmond?«
Während er lenkte, schälte er mit der anderen Hand ein hartgekochtes Ei, das er sich als Ganzes in den Mund steckte. Beim Kauen redete er mit weit geöffnetem Mund. Der Dotter und das Eiweiß vermischten sich mit seiner Spucke zu einem grauen Brei.
»Kennen Sie das goldene Wiener Herz? Das hab i. Da herinnen schlagt’s«, sagte er mampfend und fasste sich mit der Eierschalenhand an die Brust, wobei mir sein fleckiges Hemd auffiel. »Paris ist die Stadt der Liebe, aber wir haben das goldene Wiener Herz. Gfallts Ihnen da bei uns?«
»Ja.«
»Guat, das gfallt mir, dass es Ihnen gfallt. Aber die Tschuschen, die Türken und wie sie alle heißen, da zerreißt’s mein Wiener Herz. Die Unsrigen stehn da mit dem goldenen Herz, und die Türken stopfen sich einen Döner nach dem anderen eini, und dann kriegens an Herzkasperl, fallen um und werden von meinem Geld ins Spital gebracht. Ist das fair, frag ich Sie? Hab ich die depperten Döner gfressen und bin umkippt? Naa! Verstehens, dass ma da sei goldenes Herz kurz mal daham lassen muss und schimpfen auf die Bagasch?«
»Nein. Versteh ich nicht. Und deswegen haben Sie die Kinder angebrüllt?«
»Sicher! Die werden doch bald auch ausgfressene Türken sein und sich die Döner einischieben wie was, da kennen die doch nix.«
Von einem Plakat am Gürtel starrte mich Strache, der Spitzenkandidat der Rechten, mit seinen stahlblauen Schlittenhundeaugen an.
»Ihr Kandidat?«, fragte ich und wies auf das Bild.
»Naa, ich wähl gar nicht. Meine Partei ist seit ’45 verboten!«, sagte er, lachte, furzte und schloss das Fenster, so dass wir bis zur Camillo-Sitte-Gasse in seinen giftigen Gasen saßen.
Ich zahlte und stieg aus. Er öffnete sein Fenster. »Einen schönen Aufenthalt in Wien wünsch ich!«, rief er und schlug sich mit der Eierschalenhand gegen sein goldenes Wiener Herz.
Das Glück is a Vogerl, dachte ich. Wenn man ins Taxi steigt, weiß man nie, wie es wird. Johannes Mario Simmel war einmal vom Flughafen Schwechat zum Kahlenberg gefahren und musste fünfmal umsteigen, bis er einen Taxifahrer fand, der kein Antisemit war. Allerdings war das auch eine relativ weite Strecke hinauf auf den Kahlenberg. Dort fand die entscheidende Schlacht gegen die Türken statt, am 11. September 1683, angeführt vom polnischen König Johannes Sobieski. Das war der 9 /11 der Moslems. Die Türken verloren, deswegen gibt es heute in Wien, anders als in Budapest, keine türkischen Bäder. Wenigstens den Kaffee haben sie dagelassen.
Vom Kahlenberg hat man einen wunderschönen Blick auf die Stadt, und mit einem guten Fernglas hätte man vielleicht den toten irischen Wolfshund an der Ecke Camillo-Sitte-Gasse /Schweglerstraße sehen können. Ein riesiges, graues Fell lag auf dem grauen Asphalt, umringt von vielen Schaulustigen. Spön humpelte aufgeregt neben dem toten Hund auf und ab.
»Spön?«, fragte ich vorsichtig.
»Wo bleibst du denn?«, rief er, als er mich erblickte. »Derrick ist aus dem Fenster gefallen. Du weißt, dass der Fensterrahmen noch nicht montiert ist, der Trottel springt an mir hoch, ich versuch ihn von mir wegzudrücken, und da fällt diese dämliche Bestie zusammen mit dem Scheiß-Fensterrahmen runter. So ein Scheißdreck, ein verdammter!«
Spön war bleich und verschwitzt. Seine Freundin Heidi war für ein halbes Jahr nach Sri Lanka gegangen, um eine Ayurvedaausbildung zu machen, und er, der Hundephobiker, hatte sich aus purer Liebe bereit erklärt, solange auf ihren sechzig Kilo schweren Wolfshund aufzupassen.
Derrick lebte jetzt seit vier Monaten bei Spön und versetzte den schmalen Architekten regelmäßig in Angst und Schrecken. Der Hund war fast einen Meter hoch. Immer wieder hatte ich ihm versichert, dass irische Wolfshunde als ausgesprochen freundlich und liebenswürdig gelten, doch Spön war davon nicht zu überzeugen. Lieber zitierte er das Wappen der irischen Herrscher, auf dem ein Wolfshund abgebildet war und die Devise: Sanft, wenn man mich liebkost, schrecklich, wenn man mich reizt!
»Reizt du den Hund denn?«, fragte ich ihn dann.
»Bist du irre? Vom fetten Dachs gebissen? Nein, natürlich nicht! Was für eine
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