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Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Titel: Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann
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die Franzosen ihre Botschaften. Vielleicht gehören die Pissrinnen eigentlich in die Kaserne«, schlug ich vor.
    »Stimmt«, antwortete Spön. »Und die Zwangsjacken auch.«
    Wir schoben das Brett wieder vor den Eingang und schoben uns unter dem Bauzaun raus. Plötzlich stand ein pummeliger Mann vor uns, der gierig an seiner Zigarette zog, wie es Menschen tun, die unter Psychopharmaka-Einfluss stehen. Er sah gespenstisch aus im Mondlicht, wir erschraken furchtbar.
    »Ich mag Mathematik«, sagte der Mann so leise, dass man ihn kaum verstand. »Aber nur französische!« Dann drehte er sich um und verschwand.
    Wenn Spön nach solchen Touren frühmorgens in Heidis Wohnung zurückkam, lag der Hund im Bett neben ihr. Beide Türen standen offen, die vom Hundezimmer und die vom Schlafzimmer. »Mysteriös, was? Heidi schlief. Tief und fest. Derrick hat es irgendwie geschafft, die beiden abgesperrten Türen zu öffnen. Diese angsteinflößende Bestie!«
    Jetzt, auf dem Asphalt, war der Houdini unter den Hunden nicht mehr angsteinflößend. Ein Streifenwagen fuhr vor, und zwei Polizisten stiegen aus. Sie ließen sich den Unfall schildern, und da der massige Hund niemanden verletzt hatte, war der Fall für sie schnell erledigt.
    »Schauens, dass Ihnen nicht noch mehr Hunde aus dem Fenster fallen. Das ist gemeingefährlich. Stellen Sie sich vor, so ein armes, kleines Muatterl geht da vorbei, denkt sich nichts, lebt von der Mindestpension, und plötzlich, wusch, fällt ihr so ein Viech auf den Kopf. Stellen Sie sich vor, das wär Ihre Mutter. Gfallert Ihnen das? Naa! Also. Reparieren Sie das Fenster und pickens a Schild dran: Hunde aussiwerfen behördlich verboten!«
    »Und der Hund?«, fragte Spön. »Was soll ich mit dem Hund machen?«
    »Na ja. Füttern werdens ihn nicht mehr müssen. Und Gassi gehen auch nicht. Das haben Sie elegant gelöst!«, sagte der Polizist und prustete zusammen mit seinem Kollegen los. »Gassi gehen für Faule: Einfach den Hund aussihaun ausm Fenster!«
    »Wenn alle ihre Hunde aus dem Fenster schmeißen würden, gäb’s keine Hundstrümmerln mehr auf der Straße«, ergänzte der andere. »Also muss Ihnen der Bezirk eigentlich dankbar sein. Grad so ein Riesenviech. Wie viel scheißt denn so ein Pony? Fünf Kilo am Tag? Das sind fast 2000 Kilo Scheiße im Jahr! Das bleibt uns jetzt alles erspart. Grüß Gott.«
    Die Polizisten stiegen in ihren Wagen und fuhren los.
    »Hilfst du mir, den Hund hinauftragen?«, fragte Spön.
    »In den vierten Stock? Und dann? Was willst du mit dem toten Hund in deiner Wohnung machen? Ausstopfen?«
    »Ich kann ihn ja schlecht hier liegen lassen.«
    »Das ist doch Blödsinn. Du musst die Tierrettung rufen oder so was in der Art. Irgendwelche Tiermenschen musst du rufen«, schlug ich vor.
    Ich hatte keine Erfahrung darin, große tote Tiere zu entsorgen. Aber gemeinsam mit dem humpelnden Spön die Sechzig-Kilo-Leiche durchs Treppenhaus zu tragen, schien mir die dümmste aller Möglichkeiten.
    Spön jedoch hatte sich entschieden. Er hob die Hinterbeine hoch, ich die Vorderbeine. Der massige Kopf fiel nach hinten, die toten Wolfshundaugen starrten mich an, die dunkle Zunge streckte sich mir durch die Lefzen entgegen, das kräftige Gebiss schlug aufeinander. Spön stöhnte, seine Achillessehne schmerzte. Der tote Hund wirkte dreimal so groß wie er. Ein Zwerg trug einen toten Riesen.
    Ich betrachtete die spitzen Zähne und dachte an Petrus.

»Als Christ und Tierfreund halte ich
    jedem Hund, der mir in die Wange beißt, auch die andere hin. Wer Hunden das Spielen verbietet, tötet auch Rehe.«
    Die freundliche und barmherzige Schwester bei den Barmherzigen Schwestern in der Stumpergasse reinigte vorsichtig meine Wunden. Wenige Meter entfernt, in der Sonnenuhrgasse, hatte ihr Hund mich aus dem Nichts heraus angefallen. Nun saß ich in der Hitze des Sommers 2004 in einem Ordenskrankenhaus, schwitzte, blutete und weinte leise vor mich hin.
    »Wieso tötet der dann auch Rehe?«, fragte ich sie mit verkniffener Miene. Ich hatte große Schmerzen und tiefe Wunden. Das Gebiss von Petrus hatte sich Zahn für Zahn in meinen Kopf »eingebrandet«, wie die Cowboys sagen, die im Gegensatz zu den Indianern durchaus Schmerzen kennen.
    Petrus war ein Bullterrier. Seine Vorfahren waren in der englischen Grafschaft Staffordshire gezüchtet worden, er war klein und bullig, knapp vierzig Zentimeter hoch und fünfzehn Kilo schwer.
    »Sein Kopf ist breit und kurz und hat Rosen- oder Halbstehohren«,

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