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Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Titel: Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann
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erklärte mir die barmherzige Schwester.
    »Halbstehohren, das klingt ungeil«, sagte ich. Die Ordensschwester tupfte mir so stark auf die Wunde, dass ich aufschrie.
    »Wieso töte ich Rehe, wenn ich mich nicht gern totbeißen lasse?«, wiederholte ich nach einer kurzen Erholungspause röchelnd meine Frage.
    »Der Hund will Sie nicht töten«, erklärte sie, wieder ganz Christin und ganz ruhig. »Bullterrier wurden vor 250 Jahren zur Rattenvernichtung gezüchtet.«
    »Aha. Er hat sich also einfach vertan und mich verwechselt? Mit einer Ratte? Hab ich was Rättisches an mir?« Dicke Tränen kullerten mir über die Wange. »Vielleicht hat er mich gebissen, weil ich Deutscher bin«, suchte ich nach einer anderen Erklärung. »Er ist sauer, weil er einen Halbsteifen hat, und beißt sich an Deutschen den Frust weg!«
    Die Schwester mochte es nicht, wenn die Sprache auf Se-xualität kam. Kein Wunder, sie war ja mit der Kirche verheiratet, die bekanntermaßen sehr schlecht im Bett ist. Deshalb fügte sie mir wieder unnötig Schmerzen zu, diesmal mit einem Schwall Jod. SM war immer schon eine Sexualpraktik der Unzufriedenen.
    »Aus dem Rattenjagen entwickelte sich das Rattenbeißen«, fuhr sie fort. »Ein blutiger Sport, bei dem der Hund gewann, der in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Ratten erledigte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden dann in Staffordshire die Hunde für den Kampf Hund gegen Hund gezüchtet. Sie wurden zu Statussymbolen der Arbeiterklasse.«
    Die Nonne kannte sich hervorragend aus mit Kampfhunden.
    »Und weil die Arbeiterbewegung heute bei uns in der Krise ist und wegen der hohen Arbeitslosigkeit und Hartz IV in Deutschland beißt mich dieser Hund«, jammerte ich. »Ich verstehe. Na, dann will ich nichts gesagt haben. Für die Arbeiterklasse lass ich mir gern ins Gesicht beißen!«
    »Bullterrier gelten als besonders tapfer«, sagte sie. Sie hatte die Wunden gesäubert und betäubt, jetzt begann sie zu nähen. »Das müssen Sie jetzt auch sein.«
    »Gut. Aber ich werde Ihnen nicht in den Kopf beißen wie dieses Monster. Andere zu beißen hat nichts mit Mut zu tun, finde ich. Wenn ich ein Kampfhund wäre – autsch!« Es tat höllisch weh. Wenn sie den Faden mit der Nadel zog, schien es mir, als risse sie meine Wange ab.
    »Herrgott noch mal, Sie müssen schon stillhalten, sonst stech ich Ihnen noch ins Aug!«, rief sie genervt. »Ich hab schon oft Menschen genäht, die von Hunden ins Gesicht gebissen worden sind, aber so deppert wie Sie hat noch keiner gezuckt. Haben Sie solche Angst, dass ich Ihnen weh tu? Das hat der Hund wahrscheinlich gemerkt, und deshalb hat er Sie gebissen! Sie sind selbst schuld!«
    »Oh, Entschuldigung. Ich bitte vielmals um Entschuldigung, dass ich Ihren Hund mit meiner Angst so provoziert habe. So hab ich das noch gar nicht gesehen. Hoffentlich hat sich der arme Petrus nicht weh getan, während er mich gebissen hat. Am Ende hat einer seiner süßen Zähne auch noch Schaden genommen. Das könnt ich mir nie verzeihen. Was meinen Sie?«
    »Ich meine, dass Sie ein Trottel sind«, sagte die barmherzige Schwester und warf Petrus ein rohes Stück Fleisch auf den Boden. Zum Glück nicht von mir.

Mit dem Knie schaltete ich im Treppen-
    haus das Licht ein. Spöns Nachbar saß vor seiner Wohnungstür im Parterre in seinem Rollstuhl und spuckte vor uns aus.
    »Mörder!«, zischte er.
    »Müssen Sie grad sagen, Herr Pröhl«, keuchte Spön zurück. »Immer schön ans eigene Glashaus fassen!«
    Herr Pröhl rollte mit seinem Rollstuhl aggressiv auf uns zu. Ich ließ den riesigen Kopf des Wolfshundes auf seine Seite baumeln, und Herr Pröhl wich zurück.
    »Gsindel!«, rief er. »Bagasch! Wü si da aufpudeln, der Zadruckte, der Spenadler, der depperte. Heast, Gsöchter, schleich di mit deine Kakaosprudler. Mistbruat!«
    »Hast du ihn verstanden?«, fragte ich.
    »Ja, hab ich. Der Mann ist nicht ganz dicht. Er hat lang mit seinem schwerstbehinderten Bruder zusammengewohnt. Aber nicht, weil er ein so guter Mensch ist, sondern weil er wegen dem Bruder einen Behindertenparkplatz direkt vorm Haus hatte. Sondergenehmigung für Schwerstbehinderte. Als sein Bruder starb, verlor Herr Pröhl natürlich den Anspruch auf den Parkplatz. Das hat ihn sehr verbittert, weil der Parkplatz direkt vorm Haus sein Sieg über die Welt war. Jetzt hatte er gar nichts mehr. Er setzte sich ins Auto und raste auf der Südosttangente als Geisterfahrer in ein entgegenkommendes Fahrzeug. Er wollte sich

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