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Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Titel: Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann
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Naschmarkt. Vor dem japanischen Lokal »Kuishimbo« traf ich einen Musiker, der in den 80er Jahren kurze Zeit erfolgreich war: Lou Lulu. Ein alberner Name, und albern war auch sein Outfit: schwarze Retro-Sonnenbrille und Perücke mit Tennis-Stirnband. Lou Lulu war einer der liebenswürdigsten Menschen, die man sich denken konnte, so friedfertig, dass der Dalai Lama gegen ihn wie ein Hooligan wirkte. Nur Fliegen konnte er etwas zuleide tun. Er hasste Fliegen und hatte immer eine kleine Fliegenklatsche dabei.
    »Wo warst du? Ich hab dich lange nicht gesehen?«, fragte ich und blieb kurz stehen.
    »Ich war im Spital. Zwei junge Burschen haben mich vorm ›Einhorn‹ zusammengeschlagen. Die dachten, ich sei schwul, weil hier doch so viele Schwulenlokale sind. Da habens mich zusammengeschlagen. Sie konnten ja nicht wissen, dass ich gar nicht schwul bin.«
    Er nahm seine Brille ab, und seine ramponierten Augen kamen zum Vorschein. In der Stirn schien ein Tischtennisball zu stecken, so geschwollen war sie.
    »Das ist ja schrecklich«, rief ich fassungslos.
    »Die Zähnt hams mir leider auch aussigschlagen. Die Schneidezähnt, schau«, sagte er und öffnete seinen Mund. Beide obere Schneidezähne waren bis auf kleine Stummel ausgebrochen. »Na ja, das waren junge Burschen. Blöd ist’s halt.«
    »Und wenn du schwul wärst und sie dich zusammengeschlagen hätten, das wär dann okay gewesen?«
    »Na – schlagen ist immer deppert. I maan ja nur, sie waren halt in dieser Annahme, und ihrem Weltbild entspricht’s dann zuzuschlagen. Man muss immer die Täter auch verstehen«, sagte er. Zwischen den fehlenden Zähnen pfiff es wie bei einem Luftballon, dem man die Luft ausließ.
    »Ich muss weiter. Pass auf dich auf. Wohin gehst du überhaupt?«
    »Ins ›Einhorn‹. Aber schau!« Aus seiner Tasche zog Lou ein Pornoheft. Megamöpse hieß es. Auf dem Cover wurde der Titel für Analphabeten bildlich verdeutlicht. »Wenn ich die Burschen wiedertreff, hilft’s vielleicht«, sagte er, ehrlich überzeugt von dieser Methode.
    »Ja, vielleicht«, sagte ich und wünschte ihm viel Glück. Erst jetzt fiel mir der ältere Herr auf, der vor dem »Kuishimbo« saß. Er trug Hotpants aus rosafarbenem Nicki und ein Achselhemd aus demselben Material. Neben ihm hockte ein Terrier, und Masahiko, der aus Kyoto stammende Chef des »Kuishimbo«, stellte eine Schüssel mit Wasabi vor den Hund. Einen großen Berg grüne scharfe Meerrettichpaste. Ich ging zu dem Mann in den Hotpants und sagte: »Entschuldigung, ich bin zwar nicht von ›Vier Pfoten‹ oder so, aber ich denke, das ist Tierquälerei. Wollen Sie den Hund mit Wasabi töten?«
    »Das ist Minzeis, Sie deutscher Klugscheißer«, blaffte mich der Mann im Nicki an und spitzte abfällig den Mund. Es schien, als hätte ich mir gerade keinen Freund gemacht. Ich blickte entschuldigend zu Masahiko, ging Richtung Gumpendorfer Straße und hielt ein Taxi an. Ein gemütlicher 150-Kilo-Koloss im Unterhemd saß am Steuer. Er war Anfang dreißig und sah aus, als hätte er den eigentlichen Taxifahrer aufgegessen.
    Ich stieg ein und nannte ihm Spöns Adresse. »Camillo-Sitte-Gasse elf, Fünfzehnter.« Der Taxler nickte.
    »San Sie dort daham?«, fragte er.
    »Nein, ich wohn im Fünften«, antwortete ich und öffnete das Fenster einen Spalt, weil es im Wagen unangenehm roch.
    »Im Fünften sans daham? Daham is daham, da hab i’s schön warm, was?« Er lachte und furzte dreimal lautstark. »Entschuldigen, aber i hab in der Früh zehn Eier im Glas gessen, des rächt si jetzt. Mir wird der Oasch zu eng, kennens des? Wenn’s zu eng wird?«
    »Nein, kenn ich nicht.« Im Radio lief Where is my mind von den Pixies.
    »Dann ghören Sie wohl zu denen, die den Arsch offen haben, was?« Wieder lachte er. »Sagens amol ›Oachkatzlschwoaf‹!«
    Plötzlich hupte er und brüllte durchs geöffnete Fenster einer Kopftuch tragenden Mutter und ihren Kindern zu: »Daham statt Islam!« Dem Ruf ließ er wieder eine Flatulenzorgie folgen. »Tschuldigen, es zerreißt mi, das ist wie eine Stalinorgel aus Fürzen da bei mir. Heimatland statt Asylant! A klassischer Eierschaaß. Aber ein ganz ein feiner Butterschaaß war auch dabei. Wie bei einen feinen Herrn!«
    Er ließ alle vier Fenster elektrisch herunter, der Fahrtwind verschaffte mir Linderung. Wir atmeten beide durch.
    »Aner von der FPÖ hat gsagt, dass sich die Moslime, oder wie man sagt, in Österreich um 533 Prozent vermehrt haben in die letzten dreißig Joar. Ist des

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