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Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Titel: Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann
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oft.
    Dieser Vergleich war übrigens kein Zufall, denn Hartmut war immer schon modebewusst gewesen. Bereits als Student trug er Versace. Frank vermutete, dass Versace sich deshalb freiwillig erschießen ließ.
    Das Hauptgeschäft von »Toy, Toy, Toy« befand sich in der Neubaugasse, an der Ecke zur Mariahilfer Straße. Gegenüber stand das »Hotel Kummer« – ob Hartmut es jemals bemerkt hat? Ein paar Häuser weiter stadtauswärts lag das kleine Geschäft, bei dem wir für Kina einkauften, »Herr und Frau Klein«, betrieben von einem Paar, das Klein hieß. Wenn wir dort etwas eingekauft hatten, schlenderte ich gern mit der Einkaufstasche von »Herr und Frau Klein« an Hartmuts »Toy, Toy, Toy«-Schaufenster vorbei, in der Hoffnung, dass er zufällig drin war und mich sehen konnte.
    »Ich will nicht zu dem Spiel gehen«, sagte ich. »Das ist mir wirklich unangenehm. Deutschland gegen Österreich, noch dazu hier bei uns in Wien. Das ist doch eine Lose-lose-Situation. Wenn Deutschland gewinnt, steh ich als Arsch da, und wenn Österreich gewinnt, als Trottel. Bravo. Eine großartige Alternative.«
    »Aber du könntest die deutsche Mannschaft anfeuern«, sagte Hartmut. »Ich mein, wir sind ja nun mal Deutsche, da werden wir unser Team ja wohl anfeuern dürfen.«
    »Mach, was du willst, und feuer an. Ich hab keine Lust dazu. Mir wär das peinlich den österreichischen Zuschauern gegenüber. Ich mein: Ich wohn hier. Soll ich mich dann freuen, wenn die besten Spieler meiner Mitbürger von Ballack und Co. abgeschossen werden?«
    »Ja, sicher!«, rief Hartmut, der meine Bedenken offensichtlich nicht teilte. »Der ganze Deutschen-Stammtisch kommt mit.«
    »Den gibt’s immer noch? Seit zwanzig Jahren trefft ihr euch?« Ich war bestürzt.
    »Na klar. Natürlich ändert sich die Zusammensetzung. Du weißt ja, manche betrachten Österreich mehr so als eine Art Verkehrsübungsplatz, wo man lernt, wie man sich dann später in der richtigen Welt verhält.«
    »Nein, das wusste ich nicht. Das hier ist für mich die richtige Welt.«
    »Aber du darfst hier ja nicht mal wählen. Du wählst in Deutschland, also bist du berechtigt, Fan der deutschen Mannschaft zu sein.«
    »Ausschließlich Deutsche sind Fans der deutschen Mannschaft«, sagte ich. »Außerdem darf ich hier wählen, bei mir im Bezirk. Ich durfte bei der letzten Bezirkswahl wählen. In Kinas Kindergarten bin ich gestanden und hab wie alle anderen Österreicher meine Stimme abgegeben.«
    Ich erwähnte nicht, dass ich meine Stimme Kinas Kinderärztin gab, die dann tatsächlich gewählt wurde und anschließend die Kinderarztpraxis schloss. Demokratie hat auch ihre schlechten Seiten. Sophie tröstete mich und versprach mir, dass Kina erst wieder krank würde, wenn sie dem Kindesalter entwachsen sei.
    »Das ist ein kleines Land, machen wir uns nichts vor«, sagte Hartmut. »Ich hab jetzt schon fünf Geschäfte allein in Bayern. Aber hier hab ich’s gelernt. In der geschützten Werkstatt Österreich. Komm doch mit ins Stadion. Von der Botschaft kommt wer, ein paar Zeitungsleute, einer von Henkel, vom WAZ-Konzern wer, auch jemand von Knirps.«
    »Nein, lass mal. Ich verwende nur ›Bre Regenz‹-Schirme. Kennst du die? Kulturschirme, keine Knirpse. Wusstest du, dass Knirpse von Frauen eher zur Stimulierung als zum Schutz vor Regen verwendet werden? Denk mal drüber nach.«
    Ich drehte mich weg und nickte Frau Resch zum Abschied zu.
    »Baba«, rief sie.
    »Baba«, rief ich ebenfalls.
    Aber Hartmut war noch nicht fertig mit mir.
    »Ich habe gehört, du suchst noch Spieler für das Córdobamatch?«, fragte er.
    Ich blieb wie vom Donner gerührt stehen. »Woher weißt du das?« Hartmut war niemand, den ich in meiner Mannschaft wissen wollte. Würde er das gleiche Trikot tragen wie ich, würde ich unbedingt verlieren wollen.
    »Ich hab die Zwillinge getroffen. Ich habe Marlies einen Rundflug über den Wienerwald geschenkt zum Vierzigsten. Und da haben sie mir gesagt, dass Spön und du das organisiert. Für Robert, zum Vierzigsten. Lustige Idee. Würde ich mitmachen. Ich hab nachgeschaut. Am 21. hab ich Zeit. Also, ich habe natürlich eigentlich keine Zeit, aber meine Sekretärin kann Wunder vollbringen. Auf mich kannst du dich verlassen. Hauen wir die Ösis aus dem Stadion!«
    »Geh scheißen«, krächzte ein weißhaariger Mann, der gerade ein Fischbrötchen aß. Reste eines Herings flogen aus seinem Mund auf Hartmuts Hugo-Boss-Anzug. Er war bedient. Ich auch.
    Beide schauten wir zur

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