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Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Titel: Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann
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Gynäkologin schwängerte, beendete sie die Zusammenarbeit: Abbruch der Schwangerschaft und Abbruch der Beziehung.

Auf dem Markt verkaufte ein Steirer
    Kernöl. Auf einem Klapptisch standen unterschiedlich große Flaschen mit Korkverschluss. Vor dem Tisch hatten sich amerikanische Teenager versammelt. »Please«, baten sie, »say it again!«
    Dem Steirer war sichtlich unwohl, aber immer wieder baten sie ihn darum. Schließlich sagte er: »Arnold Schwarzenegger.«
    Die Amerikaner johlten vor Begeisterung. » Just like he
does it! Just like him. Pleeease, one more time! «
    »Hottentottentittenattentat!«, rief ich, und sowohl die Amerikaner wie auch der Steirer sahen mich an, als wär ich ein erwachter Schläfer mit arabischen Wurzeln. Vielleicht dachten sie auch, ich sei ein Selbstmordattentäter, der seine Bombe in der Backe versteckt hielt. Nach der Wurzelbehandlung war sie noch immer leicht geschwollen. Sie gingen in Deckung und ich weiter. Ich bog nach links ab und passierte den »Naschmarktstadl«. Frau Resch stand in der Sonne neben ihrem Würstelstand und rauchte, was sie noch grauer wirken ließ.
    »Grüß Sie!«, rief sie fröhlich. Das schöne Wetter beflügelte sie. Auch Wurstverkäuferinnen spüren den Sommer. »Geht’s eh immer gschissen?«, fragte sie fröhlich.
    »Immer, Frau Resch. Und Ihnen, wie geht’s Ihnen außer schlecht?«
    »Dafür, dass es mir so gschissen geht, geht’s mir eigentlich ganz gut«, sagte sie. »Und? Gusto auf a Krainer? Mit am siaßen Senf?«
    »Nein, danke.« Ich deutete auf meine Backe. Die Wurst hätte sich mit der Bombe nicht verstanden und der Senf nicht mit dem Zünder.
    »Das ist ja mal ’ne Überraschung«, hörte ich plötzlich hinter mir. Ich drehte mich um. Im Gegenlicht strahlte ein Fortunakinn.
    »Was tut sich immer so?«, rief Hartmut. »Schon aufgeregt wegen dem großen Spiel? Noch fünf Tage.« Er kniff die Augen zusammen und machte ein klackendes Geräusch. Damit wollte er große Zuversicht signalisieren. »4:0, was tippst du?«, sagte er. Er meinte das Europameisterschaftsspiel Deutschland gegen Österreich, das in fünf Tagen in Wien stattfinden sollte.
    »Für wen?«, fragte ich. Hartmut lachte laut.
    »Scherzkeks. Hast du Karten fürs Spiel? Ich krieg welche über EA Sports. VIP«, tönte er.
    Hartmut hatte sich über all die Jahre nicht verändert, jedenfalls nicht zum Besseren. Dafür hatte er sich in den letzten Jahren ein kleines Spielzeugimperium geschaffen. »Toy, Toy, Toy« hießen seine vier Läden. Ich fand, der Name klang wie der Schlachtruf von Skinheads aus Mecklenburg-Vorpommern, aber Rocco meinte, das würde nicht reichen, um Hartmut wegen Wiederbetätigung beim Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands anzuzeigen.
    Hartmut verkaufte sehr erfolgreich billiges Spielzeug, das Kinder herstellten, die jünger waren als die Kinder, die damit spielen sollten, Kinder, die auf großen Schiffen vor Schanghai ohne eine Krankenversicherung so lange in völliger Dunkelheit arbeiten mussten, bis sie vor Erschöpfung umfielen. Dann wurden sie über Bord geschmissen und durch neue, noch krabbelnde Kinder ersetzt. So jedenfalls stellte ich mir die Herstellung des Spielzeugs vor, das Hartmut verkaufte. Für unsere Tochter Kina hatten Sophie und ich natürlich noch nie etwas bei »Toy, Toy, Toy« gekauft, obwohl Hartmut uns zur Geburt unserer Tochter einen Katalog zugeschickt hatte. Kein Geschenk, sondern einen Katalog. Er hatte sich, wie gesagt, nicht geändert.
    Vor vielen Jahren hatte er mich einmal in der Papagenogasse besucht, mit einem griechischen Salat in einem Einkaufssackerl.
    »Hast du Hunger?«, fragte er.
    »Ich hab schon gegessen. Danke«, antwortete ich.
    »Na komm, teilen wir uns den Salat«, sagte er und packte aus. Er aß den Salat allein auf, dann zeigte er mir die Rechnung. »Machen wir fifty-fifty?«
    »Ich hab doch gar nichts gegessen, Hartmut.«
    »Na, komm, das ist jetzt wirklich arg von dir. Ich bring dir hier einen Salat, da ist es doch wohl klar, dass du dich beteiligst!«
    Ich gab ihm das Geld und dem Elefanten in meinem Kopf eine neue Information, die er speichern sollte. Ich hätte nicht geglaubt, dass Hartmut das Geld wirklich einstecken würde, aber er tat es ohne Zögern.
    Er selbst behauptete, er sei wie Karl Lagerfeld: Er werfe zwar das Geld zum Fenster raus, achte aber genau darauf, wo es lande. Lagerfeld würde sich erschießen, wenn er wüsste, dass Hartmut sich mit ihm verglich, dachte ich mir

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