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Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Titel: Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann
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sechzigjährigen Vorsitzenden der Sozialistischen Jugend in Wels erhalten, wonach ein Gastwirt ein Schild mit der Aufschrift Türken unerwünscht in sein Schaufenster gestellt habe. Der Tiroler und ich fuhren nach Wels, und der alte Mann, der seinen Jungbrunnen in der Sozialistischen Jugend gefunden hatte und sich selbst »The Red Prince of Wels« nannte, organisierte uns vier missmutige Türken, mit denen zusammen wir das Lokal aufsuchen sollten. Das Aufnahmegerät und das Mikrophon versteckten wir in meinem Mantel. Als wir investigativ das Lokal betraten, rutschten die Kabel aus meinem Mantel, der Wirt starrte uns an und stellte nur den Türken Getränke auf den Tisch. »Die Getränke für die Türken gehen aufs Haus. Der ORF zahlt selber. San eh meine Gebühren.« Das war alles, was wir von dem rassistischen Lokalbesitzer auf Band hatten. Der Tiroler sprach auf der ganzen Bahnfahrt zurück kein Wort mit mir.
    Zurück in Wien, ereilte mich ein Hilferuf von Spön. Um sich das Geld für sein Architekturstudium zu verdienen, malte er, der meines Erachtens weder Rechts- noch Linkshänder war, Wohnungen aus. Spön rief aus einem Haus im vornehmen Cottageviertel an, das einer Gynäkologin gehörte. Als er die Decke ausmalen wollte, war ihm Kalk ins Auge getropft. Er drohte zu erblinden, behauptete er zumindest am Telefon. Ich empfahl ihm, sich flach auf den Boden zu legen, eine der wenigen handwerklichen Fähigkeiten, die ich ihm zutraute. Dann fuhr ich mit der U-Bahn zum Schottentor und nahm von dort die Straßenbahnlinie 41.
    Nach vierzig Minuten stand ich vor der Villa. Spön lag noch immer am Boden, mit geschlossenen Augen und Farbe in Gesicht und Haar. Draußen dämmerte es bereits. Wir fuhren ins alte Allgemeine Krankenhaus, das 1989 tatsächlich noch als solches genutzt wurde. Zumindest Teile davon. Das Gebäude war baufällig, seit dem 18. Jahrhundert schien hier nichts mehr gemacht worden zu sein. Die Augenklinik war der letzte Teil, der noch nicht ins moderne Neue AKH übersiedelt worden war. Wahrscheinlich hatte man sich gedacht, dass die Patienten der Augenklinik in der Regel nicht sehen konnten, wie abgefuckt es hier aussah.
    Inzwischen war es dunkel geworden. Kein Schild weit und breit auf dem riesigen Gelände. Kräne und Bagger standen herum, Mauern waren weggerissen worden, dazwischen irrten wir umher und suchten die Rezeption.
    »Ich bin gleich wirklich blind«, jammerte Spön. »Was für eine Ironie. Auf den letzten Metern erblinden, weil man den Scheiß-Eingang nicht findet.«
    »Das Problem ist, dass du ausmalst, ohne ausmalen zu können. Ich bin froh, dass du nicht auch noch als Pilot arbeitest«, sagte ich.
    »Ich brauch das Geld«, sagte er mit geschlossenen Augen, seine Hand auf meiner Schulter. »Obwohl – in dem Fall werde ich vielleicht anders bezahlt.«
    »Nämlich?«
    »Die Kundin ist Gynäkologin und hat mich gefragt, ob ich eine Freundin hab. Sie hat mir statt Geld eine Gratisabtreibung angeboten.«
    »Bitte? Du arbeitest für eine Abtreibung?«
    »Ich könnt sie sicher auf zwei raufhandeln. Aber dafür muss ich erst mal fertig ausmalen. Als Blinder werd ich mich da schwertun. Na ja, ich kann ja versuchen, mit dem Mund zu malen.«
    »Deine Arme wirst du schon nicht verlieren«, sagte ich.
    Spön wurde nicht blind. Ein junger Assistenzarzt aus Mülheim an der Ruhr reinigte seine Augen, und Spön konnte wieder sehen. »Als ich die Augen aufgemacht habe, hab ich zwei Deutsche gesehen. Dich und den Arzt. Kein schöner Anblick. Ich hab kurz überlegt, mir wieder Kalk ins Auge zu schütten.« So lautete noch Jahre später sein Kommentar dazu.
    Ob er das Angebot der Auftraggeberin wirklich angenommen hat, erfuhr ich nie. Aus reinem Mitleid half ich ihm beim Ausmalen. Amerikanischen fundamentalistischen Christen würde das schon reichen, um mich zu erschießen, denn möglicherweise leistete ich damit ja einem Schwangerschaftsabbruch Vorschub.
    Petra bekam jedenfalls kein Kind – ob schwarz durchs Malen oder offiziell auf Rechnung, sei dahingestellt. Spön hatte das Kind gewollt, obwohl es ein Unfall war. Aber Petra nicht, aus Sorge, dass das Kind so würde wie Spön. Das hatte sie ihm beiläufig im Bad gesagt, während sie sich die Haare noch blonder färbte. Als sie sich trennten, war ich erfreut.
    Spön arbeitete später noch öfter für die Gynäkologin. Wir scherzten, dass er eine ganze Fußballmannschaft abtreiben lassen hätte können. »Wenn, dann eine deutsche«, sagte er. Als er die

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