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Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Titel: Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann
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vorbei!« Er verschluckte sich und drohte an seinem Humor zu ersticken.
    »Machen Sie Werbung für den Villacher Fasching?«, fragte ich.
    »Das könnts ihr in Deutschland nicht so gut wie mir, des Lustige. Da samma besser wie ihr da oben.«
    »Siher«, sagte ich. »Als Gott Kärnten fertig gebaut hatte, sagten alle, Gott, das ist unfair. So ein schönes Land hast du da gebaut, Gott.«
    »Jo, stimmt«, sagte der Taxifahrer.
    »Und Gott sprach: Wartet erst mal ab, was ich da für Menschen reinsetze!«
    Er ließ mich auf der falschen Seite des Donaukanals raus – die Seite, wo aus Protest gegen das gegenüberliegende »Tel Aviv« ein mit Stacheldraht umzäunter Gazastreifen errichtet worden war. Israelkritische Aktivisten hatten hier ein Freiluftgefängnis errichtet: Gaza-Beach, mit Absperrungen und militärischen Angriffen und der Möglichkeit, Nahrungsmittelengpässe und Energiemangel zu erleben.
    Ich ging über die Schwedenbrücke auf die »israelische« Seite und nahm dann die Stiege hinunter zum Kanal. Jan stand an der Bar und rauchte.
    »Ein Pastrami-Sandwich, bitte«, sagte ich. Jan nickte mir zu.
    »Die fettigen Dinger schmecken dir doch gar nicht«, sagte er. »Gib’s zu, du isst sie nur, weil sie in den Büchern von Mordecai Richler immer gefuttert werden.«
    »Ist viel los?«, fragte ich kauend. Immerhin befanden wir uns mitten in einer Fußballmeisterschaft mitten in der Hauptstadt des Gastgeberlandes. Aber auf der Fahrt war wenig Verkehr gewesen, und der Schwedenplatz war beinahe menschenleer. Selbst wenn keine Großveranstaltung in Wien stattfand, war im »Tel Aviv« eigentlich wesentlich mehr los als jetzt.
    »Du bist der Dritte heute. Wir haben aber auch erst seit vier Stunden geöffnet!« Er grinste. »Ich hab’s immer gesagt: Eine Fußballmeisterschaft sollte man in einem Fußballland ausrichten. In Saarbrücken machen sie ja auch keine Ski-WM. Hier ist tote Hose, die Fanmeile wurde schon zur Hälfte abgebaut. Kein Interesse da. Ich baue auf Kroatien gegen Türkei. Das sind echte Fans. Nicht so raunzende Nörgler wie die Österreicher.«
    »Hast du Lust, gegen ein paar raunzende Österreicher zu spielen? Robert wird vierzig, und wir schenken ihm eine Neuauflage von Córdoba. Ich stell die deutsche Mannschaft zusammen, aber ich bin draufgekommen, dass ich kaum Deutsche hier kenne, jedenfalls nur wenige, mit denen ich spielen möchte.«
    »Es gibt in Wien über 20 000 Deutsche! Da wirst du doch wohl zehn finden, mit denen du Fußball spielen willst.«
    »Bis jetzt spielt Frank mit, außerdem Rocco und Ben.«
    »Ben?«, unterbrach er mich. »Kommt der nicht aus Südafrika? Du hast aber einen sehr weiten Begriff von Deutschland.«
    »Er kommt erstens aus Namibia und zweitens aus Bremen. Rocco spielt auch mit, obwohl er aus der DDR kommt, und wenn man’s genau nimmt, hat der mit Córdoba so gesehen gar nichts zu tun. Leider hat sich auch Hartmut in die Mannschaft reingeschlichen. Und an dich hab ich natürlich gedacht.«
    »Und Doron? Soll der bei den Österreichern spielen? Ich deck ihn eh gern!« Jan lachte. »Und wo soll das Spiel stattfinden?«
    »Weiß ich noch nicht. Ich kümmer mich erst mal um die Mannschaft«, sagte ich und duckte mich unter das Dach der Bar. Es hatte wieder angefangen zu regnen. Vor zwei Jahren hatte es während der WM 2006 in Deutschland durchgehend Sonnenschein gegeben, was den Touristen den falschen Eindruck vermittelt hatte, Deutschland sei eine Art Spanien ohne Mittelmeer. Jetzt fiel die EM in Österreich und der Schweiz ins Wasser, das im Donaukanal neben uns schon beträchtlich angestiegen war. Frank war sicher bereits mit Ludwig, dem Sitzschläfer, im Einsatz, stellte ich mir vor. Wenn die Sonne schien, war er im Wespeneinsatz, und bei Niederschlägen rettete er mit dem Spaten in der Hand den niederösterreichischen Teil rund um Wien.
    »Doron spielt einmal die Woche im Prater auf dem WAC-Platz. Der Wiener Athletiksport Club. Ist eigentlich ein Tennisverein, aber du kannst ja mal hinschauen. Du gehst an den Tennisplätzen vorbei, wo die Granden der Wiener Sozialdemokratie und Kabarettisten miteinander spielen, und dann kommt schon ein Fußballplatz, völlig im Eimer, aber du erkennst noch die alten Tribünen. Ist das älteste Fußballstadion Österreichs. Ich glaub, dort hat auch das erste offizielle Länderspiel stattgefunden. Aber Doron weiß da besser Bescheid.«
    Eine Gruppe türkischer Fans lief durch den Regen auf uns zu. Klitschnass stellten sie sich bei der

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