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Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Titel: Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann
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von Spön?«, fragte ich sie.
    »Spön war mit Heidis Auto in der Werkstatt und hat es auf die Montagegrube geschoben. Er ist hinter dem Wagen gestanden und hat geschoben und vergessen, dass zwischen den Reifen die Grube ist. Er ist reingeplumpst. Typisch Spön, was? Drei linke Hände.«
    »Liegt Spön auch im Spital?«
    »Zumindest habe ich ihn dort getroffen, als ich Frank besucht habe. Spön hat sich aber nur eine Schnittwunde an der Stirn zugezogen. Isch alles guat gsi, wie ich ihn getroffen hab«, sagte die Bregenzer Schirmprinzessin.
    Ich begab mich in die Camillo-Sitte-Gasse. Am Getreidemarkt erinnerte ich mich an das »KC’s«, das es nun schon lange nicht mehr gab. Das »KC’s« war ein chinesisches Restaurant, in dem ich mit Sophie früher oft gegessen hatte. Auch als sie schwanger war, waren wir häufig dort gewesen. Sophie hatte immer unglaublichen Appetit auf Haifischflossensuppe.
    Der junge Chef des Lokals hieß Heinz und war in Wien geboren. Seine Eltern kamen, so wie die meisten Chinesen in Wien, aus der Provinz Zhejiang, genau genommen aus der ländlichen Auswandererregion Qingtian südlich von Schanghai. Ihren Kindern gaben sie deutsche Namen, um zu signalisieren, dass sie sich in ihrer neuen Heimat assi-milieren wollten. Sie nannten ihre Kinder Heinz, Hans und Hugo, weil sie durch einen Fehldruck ausschließlich deutschsprachige Vornamen mit H in ihrer Broschüre vom Standesamt fanden.
    Heinz leitete das »KC’s«, während seine Brüder Hans und Hugo mit Sojasprossen handelten. Anfangs züchteten sie diese in der Badewanne ihrer Wohnung, dann expandierten sie und belieferten fast alle chinesischen Restaurants in Wien.
    Eines Tages saß eine alte Chinesin im »KC’s«. Die hochschwangere Sophie aß gerade mal wieder eine große Schüssel Haifischflossensuppe. Heinz gesellte sich zu uns an den Tisch. »Das ist meine Großmutter aus Qingtian. Sie ist zu Besuch hier. Wissen Sie schon, ob Sie ein Mädchen oder einen Bub bekommen?«, fragte er.
    »Nein, wir haben das Geschlecht nicht wissen wollen«, sagte Sophie.
    »Meine Großmutter kann das Geschlecht ertasten – wenn Sie wollen. Sie hat schon über hundert Kinder ertastet und sich noch nie vertan. Sie kann es spüren.«
    Er rief seiner Großmutter etwas auf Chinesisch zu, und sofort stand sie auf und kam an unseren Tisch. Ohne weiteres Federlesen legte die alte Chinesin ihre Hand auf Sophies Bauch. Nach einer Weile sagte sie feierlich: » It will be a boy! «
    »Schade. Ich hätte lieber eine Tochter gehabt«, sagte mir Sophie, als wir das Lokal verließen. Als dann wenige Wochen später unsere Tochter Kina auf die Welt kam, rief Sophie vor Begeisterung und Überraschung im Kreißsaal laut »Jööh!«. »Bei der alten Chinesin heißt TCM wohl nicht Traditionelle Chinesische Medizin, sondern traditioneller Chinesischer Mist«, lautete Roberts Kommentar.
    Den Chinesen gab es nicht mehr. Auch Wien verändert sich. An der Ecke Getreidemarkt/Mariahilfer Straße standen früher vor dem Eingang zum Tabakmuseum zwei Würstelstände, in direkter Konkurrenz, keine zwei Meter voneinander entfernt. Der eine installierte eines Tages eine Leuchttafel über seinem Wagen: Bei mir ist der Kunde König . Wenige Wochen später erstrahlte bei seinem Rivalen eine noch größere Neonschrift: Bei mir ist der Kunde Kaiser . Bevor der Streit endgültig eskalierte, zog der König mit seinen Würsten entnervt weiter.
    Ich ging weiter durch die Mariahilfer Straße. Unter mir rumpelte die U3. Diese U-Bahn-Linie wurde zum Zeitpunkt des Wurstkriegs unterhalb der Mariahilfer Straße gebaut – viele Jahre lang. Sie sollte die Straßenbahn ersetzen. Durch den Bau wurde die ganze Einkaufsstraße aufgerissen. Als Ersatzverkehrsmittel wurde aber kein Bus eingesetzt, sondern täglich wurden die Schienen der Straßenbahn ein wenig anders verlegt, so dass die Großbaustelle zur Riesenbaustelle wurde.
    Es dämmerte bereits, als ich endlich vor Spöns Haus in der Camillo-Sitte-Gasse ankam. Im Treppenhaus roch es merkwürdig. Ich läutete, und Spön öffnete. Seine Stirn war genäht worden, er hielt sich einen Kühlbeutel an die Wunde.
    »Was riecht denn hier so bestialisch?«, fragte ich.
    »Der Hund. Ich bin noch nicht dazu gekommen, ihn zu entsorgen«, sagte Spön genervt.
    »Du hast den Hund da noch immer liegen? Bist du durchgeknallt? Weißt du, was sich da für Gase bilden können? Das ist hochgradig gemeingefährlich.« Ich war fassungslos.
    »Komm mal runter, Deutscher. Aah

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