Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Titel: Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann
Vom Netzwerk:
sagte er. Wir setzten uns an die Bar. Prohaska war der geduldigste und freundlichste Gesprächspartner, den man sich denken kann. Er erzählte von seiner Jugend in Hasenleiten, einem Teil von Simmering.
    »Klein Chicago hat man’s genannt. Wenn’s finster geworden ist, ist niemand mehr vorbeigekommen, der nicht von dort war, weil man Angst hatte. Wer dort gewohnt hat, musste keine Angst haben. Wir haben im Parterre gewohnt und haben die ganze Nacht das Fenster offen stehen gehabt, weil wir eine arme Familie waren, wo Einbrecher nur etwas hätten bringen, statt holen können.«
    Immer wieder kamen Hotelgäste und baten ihn um ein Autogramm. Er hatte beim AS Roma gespielt und in Mailand bei Inter, und er erzählte uns, dass er einmal mit seiner Frau in Mailand in einem Restaurant gewesen sei, und am Nebentisch habe Adriano Celentano gesessen. »Ich wollte mir ein Autogramm holen, ihn aber erst noch fertig essen lassen. Da kam der Kellner und bat mich um ein Autogramm für den Celentano! Ich war so perplex, dass ich ihn gar nicht mehr gefragt habe. Jetzt hat der Celentano ein Autogramm vom Prohaska, ich aber keins von ihm.«
    Robert hing an Prohaskas Lippen. Dieser erinnerte sich daran, wie damals in Mailand rosafarbene Hemden modern waren und er in Wien verspottet wurde, wenn er im rosafarbenen Hemd erschien. »In Italien war das aber total modern. Unser Torwart hatte allerdings ein rosa Hemd und dazu eine rosa Krawatte, den haben sogar die Italiener ausgelacht.«
    Zum Abschluss bekamen wir wie Celentano ein Autogramm von Prohaska. Robert schenkte ihm im Gegenzug eine Schlammpackung. Prohaska bedankte sich lachend und verließ uns Richtung Mannschaftsbus.
    »Und?«, fragte ich.
    »Wahnsinnig netter Mann«, sagte Robert. »Mit dem würde ich sofort in eine WG ziehen. Stell dir vor, alle Österreicher wären so wie Herbert Prohaska.«
    Die Vorstellung gefiel mir ausgezeichnet.
    Als eine Livesendung geplant wurde, schlug ich das »Café Donauwelle« vor, wo Frau Maria allabendlich ein neues Programm machte, mit immer neuen Künstlern. »Komische Künstler«, sagte ich zum Tiroler, der inzwischen als Livemoderator der Jugendsendung eingesetzt wurde. »Live und merkwürdig. Vielleicht wär das was?«
    Der Tiroler hatte schon vom »Café Donauwelle« gehört, ebenso ein paar der anderen Jungredakteure. Wir beschlossen, per Übertragungswagen live von dort zu senden, mit Gästen, die Frau Maria organisieren sollte: semiprofessionelle Sänger und Alleinunterhaltungsamateure. Dass dort keine Profis auftreten würden, dafür konnte ich garantieren.
    Frau Maria war begeistert von meinem Vorschlag. »Jaja«, sagte sie, und der Puppenspieler in ihr drehte sie wild. »Nicht? Natürlich werde ich selber, nicht? Jaja, und der Renee … Kennen Sie den Renee? Er singt Schlager, nicht? Jaja«, drehte sie sich und fasste sich mit beiden Händen an die Perücke. »Natürlich, nicht? Selbstnatürlich, ja.«
    Der Fensterplatz war leer. »Wo ist denn die Dame, die immer dort sitzt?«
    »Die Hua?« Ein angetrunkener Mann in einem Fischgrätenmantel meldete sich von seinem Platz. »Mid’m 71er is sie gfoahn.«
    »Was bedeutet das?«, fragte ich.
    »Heast, host du Paradeiser auf die Ohrwascheln? To-maten? Wo fahrt’n der 71er hi? Zum Zentralfriedhof is sie gfoahn. A Bankl hat’s grissen, ohgrotzt is – ab-ge-kratzt.«
    »Jaja«, sagte Frau Maria und wusste nicht, wohin sie sich zuerst drehen sollte.
    »Oba is eh ois wuascht!«, fuhr der Fischgrätenmann resignierend fort. »I eh a. I bin’s Wuaschtigste von oim!«
    Ich versuchte Frau Maria die wichtigsten Informationen zu geben. Sie gab mir ihre Telefonnummer, so dass die ORF-Techniker sich mit ihr in Verbindung setzen konnten. Ich war mir inzwischen nicht mehr sicher, ob mein Plan eine gute Idee gewesen war.
    Halbabgeschminkte Catsmenschen kamen mir auf der Millöckergasse aus dem Künstlereingang vom »Theater an der Wien« entgegen. Sie taten mir furchtbar leid. In der Papagenogasse hörte ich schon beim Aufsperren der Haustür altbekannte Klänge. Ein Mann schimpfte, weil er die Wohnungstür der Brustamputierten nicht aufbekam.
    »Kruzitiakn!«, hörte ich ihn fluchen. »Rutsch ma ’n Buggl owa, gschissene Tür!«
    Er erschreckte sich, als ich neben ihm stand. Die Brustamputierte hatte er gegen die Wand gelehnt.
    »Sie hat den Schlüssel immer irgendwo in der Tasche oder im Mantel«, sagte ich.
    »Bummzua is«, sagte er, als könnte ich das nicht selber sehen. »Bsoffen wia ra

Weitere Kostenlose Bücher