Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)
Heiseltschick. Der hams mit der Brust a des G’hirn amputiert.«
Ich fragte ihn nicht, ob er deshalb bei ihr übernachten wollte. Vielleicht gibt es Männer, die sturzbesoffene Frauen attraktiv finden, dachte ich. Umgekehrt eher nicht.
Ing. Palfinger schüttelte den Kopf. Der Tiroler rauchte eine Zigarette nach der anderen und war von Bier auf Weißwein umgestiegen. Der Übertragungswagen stand vor der »Donauwelle«, und die Livesendung wurde zur Katastrophe. Frau Marias Puppenspieler schaffte es nicht, sie ruhig vors Mikrophon zu stellen. Sie wirbelte am Mikro vorbei, während sie sang, so dass es klang, als befände man sich als Hörer auf hoher See. Leiser und lauter wurde es, teilweise verstand man gar nichts mehr. Sie sang das Duett aus der Zauberflöte zwischen Papageno und Papagena – allein. Dafür hatte sie sich grell geschminkt und trug einen japanischen Kimono, dessen Rückseite zerrissen war, was man durchs Radio zum Glück nicht sehen konnte. Ums Gesicht hatte sie sich einen orientalischen Schleier gehängt, so dass man nicht verstehen konnte, was sie sang, selbst wenn sie nah am Mikro stand.
Als Frau Maria endlich fertig war und der Tiroler mit dem Live-Interview beginnen wollte, nahm sie den Schleier nicht ab. Man verstand nichts, was sie von sich gab. Ich wusste, dass sie wahrscheinlich »Jaja. Nicht?« sagen würde, aber dem Ing. Palfinger im Übertragungswagen wurde es zu bunt. Er verließ den Bus und stürmte in die »Donauwelle«, wo er der verwirrten Frau Maria den Schleier vom Kopf riss.
»Jaja. Nicht?«, sagte sie und drehte sich wie ein Brummkreisel. Der Tiroler zeigte mir jetzt schon den Mittelfinger, obwohl die Sendung gerade erst angefangen hatte. Ich musste zugeben, dass der Versuch, mit Frau Maria ein Interview zu führen, live an seine Grenzen stieß. Der Tiroler bemühte sich, aber von ihr kamen Jas und Nichts, sonst nichts.
Der Höhepunkt des Abends sollte erst noch folgen: Renee. Ein schmächtiger, pomadisierter junger Mann, der sich sehr weiblich bewegte. Das Tape mit dem Playback hatte er dem bereits genervten Ing. Palfinger in den Übertragungswagen gebracht. Jetzt wurde er von Frau Maria angekündigt: »Renee, meine Damen, als Nächstes Renee. Jaja. Ein Sänger voller Herzen. Er singt Santa Maria von Roland Kaiser.«
Renee trug eine Art Zorro-Kostüm und stieg auf den Billardtisch. Die etwa dreißig Zuschauer klatschten höflich. Das Playback begann. Renee hielt das Mikrophon in der Hand, und als der Gesang begann, hörte man – nichts. Nichts als Roland Kaiser. Renee öffnete seine Lippen, aber es kam kein Ton daraus hervor. Ich trat näher an den Billardtisch und bedeutete ihm, dass er lauter singen müsse. Renee lächelte freundlich, doch kein Mäusepiepsen verließ seinen Mund. Wieder wurde die Tür aufgerissen, und Ing. Palfinger schrie: »Reiß die Pappn endlich auf, Trottel!« Aber es war nur Roland Kaiser, der über die ferne Insel Santa Maria sang, auf die ich mich jetzt wünschte. Wir erlebten den stummsten Live-Auftritt eines Sängers, seit es Radioübertragungen gab.
»Scheipi!«, schrie mich der Ingenieur an.
Als die Sendung endlich vorbei war und der Ing. Palfinger gruß- und wortlos weggefahren war, fragte ich den Tiroler, der rauchend in sein Bier starrte: »Was meinte der Techniker denn? Was heißt Scheipi?«
Er blickte auf und mir ins Gesicht. »›Scheiß-Piefke‹ heißt das.«
Frau Maria stand noch immer unter Strom und wirbelte wie aufgezogen durch ihr Lokal. Sie drehte sich zu mir und fragte: »War es gut? Ja? Jaja, nicht?«
1998 begannen die Zeitungen Anfang
Mai mit den ersten Artikeln zum großen Jubiläum: 20 Jahre Córdoba. Wie wir die Deutschen schlugen. Hans Krankl erinnert sich exklusiv. Ich half Robert dabei, in seinem neuen Geschäft am Karmelitermarkt Schlammpackungen zu stapeln. Das »Lot«, so sollte es heißen, stand kurz vor der Eröffnung. Agnieszka, die gastronomieerfahrene polnische Freundin von Klaus, hatte zusammen mit Doron das Lokal im Parterre in ein modernes »Klezmer-Hoise« verwandelt, ein jüdisches Restaurant, so wie sie es aus Krakau kannte. Doron hatte mediterrane Coolness beigesteuert. Wichtig war Robert, dass man als Besucher das Gefühl haben sollte, in Israel zu sein.
»Dann müssen Agnieszka und Doron aber bewaffnet sein, und du brauchst hin und wieder, wenn grad keiner damit rechnet, einen Selbstmordattentäter«, schlug Rocco vor.
»Und am Eingang filzen wir die Kunden stundenlang, so wie am Flughafen
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