Sechs, Sieben, Cache! | Ein Hildesheim-Krimi
gern. Wo ist denn unser Fundstück?“
„Ich zeige Ihnen. Hier lang, bitte.“
Eine Frau um die vierzig saß mit durchgedrücktem Rücken auf einem Holzstuhl im Pausenraum. Sie drehte sich langsam um, als sie die Tür aufgehen hörte. Mit ausgestreckter Hand stand sie vor Lisa.
„Renate Jungclaus, guten Tag.“
„Lisa Grundberg und Markus Heitkämper von der Kripo Alfeld. Sie arbeiten hier, Frau Jungclaus? Sie haben in der Pause etwas Ungewöhnliches gefunden?“
„So kann man das nennen, ja“, sagte die Frau. Sie drehte sich zum Tisch um und hielt Lisa die Box hin.
„Das ist ein Ohr“, flüsterte Lisa und reichte die Schachtel an Markus weiter, ohne die Frau aus den Augen zu lassen.
„Genau“, sagte Renate Jungclaus.
Lisa hatte davon gehört, doch selbst erlebt hatte sie es noch nie. Schocks kamen in den verschiedenartigsten Formen vor. Frau Jungclaus war bleich, aber mehr als gefasst. Geradezu stoisch. Das Zittern und Zähneklappern würde später kommen, wenn alles vorbei war, wenn sie allein in ihrer Wohnung saß.
Markus hatte sich neben sie gestellt, versuchte, sie unauffällig auf sich aufmerksam zu machen. Wie beiläufig sagte er: „Hier ist der Zettel.“ Er zog einen blauen Latexhandschuh aus der Tasche und fischte das Blatt heraus. Vorsichtig faltete er es auf. „Normales Kopierpapier.“
„Wie beim Letzten“, sagte Lisa leise.
Markus stieß sie an. Sie verstand und nickte. Er hatte Recht, sie sollten den Text nicht vor Zeugen vorlesen. Trotzdem wollte sie ihn unbedingt kennen, genau wie er. Gemeinsam beugten sie sich über den Zettel.
Im Dunkel
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Du stehst mir im Weg!
Erkennst du mich,
wenn ich dich von der Straße feg?
Zu spät für dich!
Wärst du im Keller geblieben,
hätte ich dich vielleicht abgeschrieben.
„Das sagt mir nichts.“ Markus knickte das Blatt in der Mitte und steckte es ein.
Lisa fand das zwar unvernünftig, doch sie äußerte sich nicht dazu. Darüber konnten sie später sprechen, wenn sie allein waren. Sie wandte sich an Frau Jungclaus: „Sie haben die Stelle markiert, an der Sie die Schachtel gefunden haben?“
Die Frau stand wortlos auf und marschierte vor ihnen her aus dem Raum. Lisa zuckte mit den Schultern und folgte ihr, während Markus die Kollegen von der Spurensicherung um Unterstützung bat.
15
Abbensen, Dienstag, der 6.9.2011
Corinna Schwartz ließ sich von einem Taxi nach Abbensen bringen. Sie liebte es, durch das Haupttor zu fahren und den Kies unter den Rädern knirschen zu hören, wenn der Wagen das Rhododendronbeet in der Mitte der Auffahrt umrundete.
„Bitte fahren Sie möglichst langsam. Ich möchte die Anfahrt genießen.“
Der Taxifahrer grinste. „Aber sicher doch, Prinzessin.“
Das Auto hatte noch nicht angehalten, da öffnete sich bereits das Tor und Joachim Wagner trat heraus. Wie immer im schwarzen Anzug, und wie immer knetete er seine Finger. Für Corinna ein sicheres Zeichen, dass etwas an ihm nagte.
Und obwohl sie eine recht präzise Vorstellung davon hatte, was das sein könnte, beabsichtigte sie nicht, ernsthaft etwas dagegen zu unternehmen. Immerhin konnte sie dafür sorgen, dass die Kröte für ihn bekömmlicher zu schlucken war.
Sie zauberte ein strahlendes Lächeln auf ihr Gesicht und stieg aus, nachdem der Taxifahrer die Tür für sie geöffnet hatte.
„Herr Wagner, wie schön, dass Sie sich die Zeit nehmen, mich persönlich zu empfangen. Ich weiß doch, wie viel Sie zu erledigen haben, so kurz vor der Eröffnung.“
„Guten Tag, Frau Schwartz. Was führt Sie schon wieder .. äh … wie schön, Sie zu sehen.“
Corinna verkniff sich das Grinsen. Sie fegte an ihm vorbei. „Bringen Sie mein Gepäck auf mein Zimmer, und dann zeigen Sie mir, welche Fortschritte Sie bewirkt haben.“ Sie zwinkerte dem Taxifahrer zu und verschwand im Haus.
Ganz Prinzessin, oder? Er zeigte ihr den hochgereckten „Gefällt-mir“-Daumen und wandte sich mit seinem Quittungsblock an Joachim Wagner.
Schade, dass ihr Bruder Robert und Dennis Voigt ausgerechnet Wagner mit diesem Projekt beauftragt hatten. Sie konnte nicht sagen, was es war, aber er verursachte ihr eine Gänsehaut, sobald er ihr zu nahe kam.
In ihrem Zimmer öffnete sie zuerst das Fenster, bevor sie ihren Bruder in Berlin anrief. „Robert, ich bin in Abbensen eingetroffen. Es ist grandios. Du musst dir unbedingt die Zeit nehmen und zur Eröffnung kommen. Versprichst du mir das?“
„Du klingst ziemlich aufgedreht. Bist du sicher, dass du von
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