Sechs, Sieben, Cache! | Ein Hildesheim-Krimi
zu Wagner, dass sie schon seit gestern Nachmittag in der Gegend war. Aber er fragte sich, ob dieser Tag so weitergehen würde. War das Wildschwein eine Warnung? Ein Symbol? Musste er geduldiger sein?
Vorsichtiger?
Er hasste Hindernisse. Niemand stellte sich ihm ungestraft in den Weg. Er lachte bitter. Zuhause mochte das zutreffen. Doch hier, in diesem zivilisierten Land, konnte er Corinna Schwartz nicht so unmissverständlich davon überzeugen, dass es für sie und ihre körperliche Unversehrtheit besser war, wieder nach Berlin zurückzukehren.
Diese Lektion hatte er wenige Monate nach seiner Ankunft in Deutschland gelernt. Bei Mord verstanden die Deutschen keinen Spaß. Nach einem Mord drehten sie jeden Stein um. Dabei beobachteten sie nicht nur die Käfer und Ameisen, die darunter hervorkrochen, sondern gruben auch das Erdreich unter ihm auf und bohrten Löcher in den Stein.
Nachdem er das begriffen hatte, wurde er erst zur Zecke und dann zur Viper.
Er brachte niemanden um, wenn es sich vermeiden ließ. Er hatte andere Mittel. Seine Abschreckungsmaßnahmen waren subtiler und weitaus wirkungsvoller. Erst isolieren, dann psychisch vernichten, sabbernde Kretins aus ihnen machen. Wer sich ihm in den Weg stellte, konnte nicht darauf hoffen, einen Stein zu finden, der groß und schwer genug war, um sich vor ihm darunter zu verstecken.
Er legte Janka einen Arm auf die Schulter. „Das wird schon, keine Panik. Bringst du mir einen Kaffee? Ich geh schnell duschen.“
Sie nickte und verschwand in der Küche.
Als Gabriel die Dusche auf kalt drehte, setzte sein Herz mindestens drei Schläge lang aus. Er schnappte nach Luft. Hatten sie heute Eiswasser in der Leitung? Er regelte die Wassertemperatur auf handwarm und spülte sich die Haare aus.
Janka hatte ihm einen Pott Kaffee auf die Ablage über dem Waschbecken gestellt. Er trank einen Schluck und begann dann, sich sorgfältig und kraftvoll abzutrocknen.
Er nahm die Tasse mit, als er ins Schlafzimmer ging, um sich anzuziehen. Das Handtuch warf er achtlos aufs Bett. Joachim Wagner ging eben am Fenster vorbei. Im nächsten Moment klopfte es auch schon. Sola stürmte auf den Flur und machte Janka, die gerade die Tür öffnen wollte, ein Zeichen, dass sie verschwinden sollte. Er riss die Haustür auf und trat nach draußen, bevor Wagner Zeit hatte, das Haus zu betreten.
Er packte ihn am Oberarm und zog ihn mit sich. Mit einem warnenden Blick aufs Haus sagte er: „Lassen Sie uns ein Stück gehen.“ Er wollte nicht, dass Wagner mit Janka redete, wollte nicht, dass er bemerkte, dass Janka beunruhigt war. Wagner sollte sich schön mit seinen eigenen Problemen beschäftigen.
„Sie ist hier, ich habe sie gestern gesehen, in Alfeld.“
Wagner nickte. „Sie hat heute Morgen angerufen. Ich soll ihr ein Zimmer herrichten lassen. Sie will mindestens bis zur Eröffnung bleiben.“ Seine Stimme klang, als würde er gleich in Ohnmacht fallen. Sola sah ihn prüfend an. Das fehlte ihm noch. „Hören Sie zu. Das ist nicht tragisch. Sie müssen sie beschäftigen, im vorderen Teil. Frau Schwartz repräsentiert gern. Sie wird Bürgermeister Talheim lieben und mit ihm auf Vernissagen und bei der Siegerehrung im Kaninchenzüchterverein Schnittchen und Sekt verzehren, bis es ihr zu langweilig wird.“ Er zuckte mit den Schultern. „Dann flattert sie nach Berlin zurück und sucht sich ein neues Spielzeug.“
Doch Wagner reagierte gar nicht auf ihn. „Ich will, dass sie hier verschwindet.“ Jetzt hob er den Blick und schaute Gabriel prüfend an. „Voigt hat angedeutet, dass sie darüber nachdenkt, eine Wellness-Hotelkette aufzubauen.“
„Sehen Sie!“ Sola war erleichtert. „Sie findet bald ein neues Aufgabengebiet.“
„Nein!“ Wagners Stimme überschlug sich fast. „Das ist es ja. Sie will hier ihre Zentrale einrichten, hier in ihrem Vorzeigeobjekt, hier im Prototyp.“
Sola schnalzte mit der Zunge. Eine Komplikation, ja, aber eher ein Problem für Wagner als für ihn.
Der redete weiter. „Wissen Sie, was das bedeutet?“
Sola schüttelte den Kopf und dachte bei sich: ‚Dass du deine Arbeitszeit tatsächlich mit Arbeit verbringen musst.‘
„Wenn sie selbst hier lebt, braucht sie keinen Geschäftsführer. Das heißt, man wird mich woanders einsetzen.“ Er sah Sola an, als hätte er ihm eben mitgeteilt, dass die Vogonen die Erde in einer Stunde sprengen würden, um eine Hyperraumumgehungsstraße zu bauen.
Sola verkniff sich ein Grinsen. In der Tat barg diese
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